Freitag, 2. September 2016

Rügen: Ein Heiligtum stürzt ins Meer...

Moin ihr Lieben,
aus dem (superschönen!) Schweden-Dänemark-Urlaub bin ich inzwischen zurück, und wie versprochen werde ich mich jetzt langsam ans Nachholen diverser Blogeinträge machen. Momentan ist es ja noch recht sommerlich, daher kommt nun ein heidnischer Reisebericht zu Rügen, denn die Strand-Bilder wirken jetzt noch nicht ganz so deplatziert.

Letzten Dezember hatte ich schon rumüberlegt, dass ich eigentlich gern mal nach Rügen würde. Glückspilz wie ich bin ergab sich schon im Frühjahr eine Dienstreise dorthin, bei der ich ein verlängertes Wochenende drangehängt habe. Rügen ist nicht nur einfach eine Ostseeinsel! Durch die weißen Kreidefelsen, die langsam ins Meer bröckeln, wirkt das Wasser türkis wie im Mittelmeer.
Die Kalkfelsenküste nördlich von Sassnitz.
Die spektakuläre Steilküste hat aber auch ihren Preis: jedes Jahr bricht mehr davon ab, die Insel wird dadurch immer kleiner... Der dichte Buchenwald an der Küste, durch den man heute noch wandern kann, wird irgendwann nicht mehr da sein. Man kann genau beobachten, welche Bäume als nächstes in die Tiefe fallen werden, manche von ihnen stehen schon fast waagerecht im Hang oder haben kaum mehr Boden unter den Wurzeln. Im Schnitt werden es jedes Jahr 30 cm weniger, das aber unregelmäßig. Teilweise brechen gleich mehrere Meter am Stück weg.
Diese Bäume steht nicht mehr lange...
In diesem Sinne war Rügen wohl gerade der ideale Ort für meine Stimmung - der Boden bricht weg und alles vergeht. Nun ja, trotzdem war es sehr schön und die Ruhe tat mir gut - und wenn ich Ruhe meine, dann aber wirklich. Ich war in der Vorsaison da und habe während meiner Ausflüge teilweise stundenlang keine einzige Person zu Gesicht bekommmen. Ein Traum!

Nach der Wanderung entlang der Küste wollte ich dann doch wieder etwas festeren Boden unter den Füßen haben und bin einige Kilometer ins Inselinnere gelaufen, um verschiedene Hügelgräber und Dolmen aufzusuchen. Mithilfe der tollen Homepage von Reinhard hab ich mir eine Karte mit Koordinaten zusammengestellt. Schon von weitem war klar, dass ich die eigentlich gar nicht brauchte: auf der Grasebene waren die Hügel schon von weitem zu erkennen, etwa alle 100 Meter war ein kleiner Hubbel mit einigen alten, knorrigen Bäumen darauf und in den meisten Fällen Überresten des Großsteingrabes darunter.
Hügelgräberhöhen! Hier der Blick von einem Hügel auf den nächsten.
Großsteingrab bei Loch 8...
...für ein besonders schönes Großsteingrab bin ich quer über einen Golfplatz marschiert, in dessen Mitte der verdächtige Hubbel mit knorrigen Bäumen aufragte...

Rügen besitzt unglaublich viele dieser Großsteingräber, die vermutlich von den Jägern und Sammlern stammen, welche die Insel nach der letzten Eiszeit besiedelten. Einige der Gräber sind leider ebenfalls schon mitsamt der Küste ins Meer gestürzt. Andere haben noch einige Jahrhunderte vor sich, bis der Küstenabbruch sie erreichen wird. Gerade im Abstürzen befindet sich aber ein ganz besonderes Stück der Insel: die Tempelburg bzw. Jaromarsburg am Kap Arkona.

Das Gelände der ehemaligen Tempelburg, vom Wall aus gesehen.
Die Tempelburg bestand vermutlich vom 9. bis 12. Jahrhundert n.u.Z. und bestand aus zwei Wällen, die man auch heute noch sehen kann, sowie einer zusätzlichen Befestigung aus Holz. Im Inneren befand sich ein Tempel, bei dem man davon ausgeht, dass er das zentrale Heiligtum des slawischen Hauptgottes Svantovit darstellte. Eine aus einem Eichenstamm geschnitzte Statue von ihm zeigte seine vier Gesichter, mit denen er in alle Himmelsrichtungen blickte.
 
Weil es ja anscheinend einfach nicht möglich ist, Leute mal in Ruhe und mit ihrem Glauben leben zu lassen, kam (kurzgefasst) im 12. Jahrhundert der dänische König Waldemar I mit seinem Heer angeschippert, verbrannte den Tempel, zerhackte die Statue des Gottes und brachte die Christianisierung.

Inzwischen wird außerhalb des Tempelgrundes wieder ein kleiner heiliger Ort mit einer Statue für Svantovit eingerichtet, am Eingang steht bereits eine zweigesichtige Version. So ganz tot bekommen hat man den Gott und das Heiligtum eben doch nicht, doch auch hier ist das Ende durch den simplen Lauf der Natur wieder abzusehen. Geschätzt sind bereits 2/3 der ehemaligen Tempelburg abgebrochen. Das verbliebene Drittel ist stark gefährdet und darum für Besuchende gesperrt. Es werden eilige archäologische Notgrabungen durchgeführt, bevor alles entgültig im Meer versinkt. Würdevoller und schöner kann das Ende eines heiligen Ortes doch gar nicht sein, oder?
 
Svantovit.
Hier seht ihr rechts die Abbruchkante der Tempelburg und den Rest eines Walls.
Auch das, was ich neben meinem "heidnischen Pflichtprogramm" noch angesehen habe, war irgendwie von Verfall und Vergehen geprägt, aber dennoch wunderschön: Die Ruinen des Schlosses Dwasieden. Das einst prachtvolle Schloss mit einem ausladenden Garten wurde 1877 erbaut. Nach dem Tod des Bauherrn wurde es verkauft und militärisch genutzt, 1948 dann unter sowjetischer Besatzung gesprengt. Es liegen jetzt Einzelteile im Wald herum, ein paar Säulen stehen noch auf Resten des Kellergewölbes. Man hört das Meer rauschen. Hier könnten Geister einen langsamen Walzer tanzen. Nicht mehr lange, und diese Ruinen liegen auch am Meeresgrund.
Die Überreste von Schloss Dwasieden am Meer.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen