Mittwoch, 21. Oktober 2015

Oh du wunderschöne Loreley...

Moin moin,

eigentlich wollte ich schon vor geraumer Zeit über einen Wochenendausflug bloggen. Als ich von Mai bis Juli diesen Jahres wegen Dienstreisen relativ häufig die wunderschöne Bahnstrecke am Rhein entlang fuhr, bei der man auch die Loreley sieht, hab ich mich ein bisschen in dieses Stück Flusstal verliebt... Die steilen, grünen Hänge, die wilden Kurven des Flusses, die Burgen, die hier und da am Berg kleben... Als Freund, ich und drei Kumpels nach einem spontanen Ziel für einen Campingausflug suchten, quetschten wir uns kurzentschlossen zusammen mit unserem Equipment ins Auto und fuhren zur Loreley.

Schon der Name des rund 130 m hohen Loreleyfelsens in einer engen Flusskurve ist wunderbar mystisch: "Ley" ist noch relativ sicher auf das keltische Wort für Schieferfelsen zurückzuführen, zum Rest des Namens gibt es mehrere Theorien. Die Loreley ist demnach entweder ein summender Fels (rheinisches "luren" = summen), ein Elfenfels (mittelhochdeutsches "lur" = Elfe), ein lauernder Fels (mittelhochdeutsches "luren" = lauern) oder ein schreiender Fels (mittelhochdeutsches "lorren/lurren" = schreien). Wie die Geschichte des Loreleyfelsens zeigt, passen alle Namen irgendwie...
Der summende Fels
Im Rheintal am Loreleyfelsen gibt es ein sehr starkes, siebenfaches Echo. Daher wurde früher das Rauschen des Rheins an den Klippen am Ufer mehrfach zurückgeworfen und erzeugte ein beständiges Rauschen und Murmeln. Es schien, als würden diese Geräusche aus dem Felsen selbst kommen. Da man es nicht anders erklären konnte ging man davon aus, dass Zwerge in Höhlen im Felsen hausten und wild durcheinander redeten.
 
Inzwischen ist das Rheinufer für die Schiffbarkeit verändert worden, so dass dieser Effekt kaum noch zu bemerken ist.

Blick von der Loreley ins Rheintal.

Statue der Loreley auf dem Felsen.
Der Elfenfels - Die Sagengestalt Loreley
Loreley ist auch der Name einer Zauberin, Nixe, Sirene oder Elfe, deren Geschichte viele verschiedene Versionen hat. "Erfunden" wurde sie vom Dichter Clemens Brentano 1801/02. In seiner Ballade ist Lore Ley eine schöne Frau, in die sich jeder Mann sofort verliebt und daraufhin blindlings in sein Verderben rennt - nur den einen Mann den sie selbst gern hätte bekommt sie nicht. Des Lebens müde möchte sie ins Kloster gehen, allerdings auf dem Weg dorthin noch einmal vom Loreleyfelsen aus das Schloss ihres Geliebten sehen. Da glaubt sie, diesen auf einem Boot auf dem Rhein zu sehen. Dabei beugt sie sich zu weit nach vorn und stürzt schließlich den Felsen hinunter.

In den folgenden Jahren wurde die Figur der Loreley von vielen Künstlern der Romantik aufgegriffen.
Sie wandelte sich schließlich zu einer Nixe bzw. Sirene, die durch ihren Gesang und ihre Schönheit die Seefahrer ablenkt, deren Schiffe dann vom Rhein verschlungen werden, und wurde zu einer der populärsten örtlichen Sagengestalten in Deutschland. Ihre Form als Sirene führt uns zum nächsten möglichen Namensursprung des Loreleyfelsens...

Der lauernde Fels
Der Rhein war schon zu Zeiten der alten Römer ein wichtiger und vielbefahrener Handelsweg - und die Gegend um die Loreley wird tatsächlich als gefährlichster Abschnitt davon angesehen. Ein ganz wundervoller Wasserbauprofessor hat damals in meinem Studium eine komplette Vorlesung dem Phänomen der Loreley gewidmet, um uns die Geschichte und den vermutlichen Hintergrund der Sirenen-Sage näherzubringen. Um es grob zusammenzufassen: der Rhein verengt sich an dieser Stelle sehr stark, wodurch er schneller wird. Außerdem gibt es durch die vielen Kurven, Kluften, Felsrippen und Sandbänke unvorhersehbare Strömungen und Strudel.

Es ertranken bei der Loreley so viele Seefahrer, dass sich im 6. Jahrhundert der Priester St. Goar auf der anderen Rheinseite niederließ, um Schiffbrüchige aus dem Wasser zu ziehen und zu pflegen. Die Stadt, die dort entstand, heißt heute Sankt Goar, und bis vor knapp 100 Jahren wurden vor dem Passieren der Loreley die Schiffsbesatzungen mit drei Glockenschlägen zu einem Gebet aufgefordert.

In den 1930er Jahren wurden schließlich die meisten Felsenrippen gesprengt, so dass die Loreleypassage bei weitem nicht mehr so gefährlich ist wie früher. Außerdem ist eine Fahrrinne vorgegeben. Dennoch passieren immer wieder Unfälle, vor allem bei ungewohnten Wasserständen. Erst im Januar 2011 kenterte ein Tankschiff, zwei Besatzungsmitglieder ertranken im eiskalten Wasser...
...und in unserem Fall: der schreiende Fels
Angetan von der mystischen und traurigen Geschichte wanderten wir in einer unglaublichen Hitze von der Loreley herunter, um die Burg Katz herum und mit einem etwas unfreiwilligen Umweg wieder zurück. Ob dies die Burg des Geliebten war, auf die Lore Ley in der Ballade noch einmal blicken wollte, bevor sie den Fels hinunterstürzte?

Abends bauten wir unsere Zelte auf dem Zeltplatz direkt auf dem Loreleyfelsen auf - und wurden mitten in der Nacht durch ein unglaublich heftiges Gewitter geweckt!

Die Burg Katz, flussabwärts der Loreley.
Thor zeigte so richtig, was er konnte, und durch das siebenfache Echo hallte jeder Donarsschlag mit einer ohrenbetäubenden Lautstärke das Rheintal rauf und runter. Zumindest für zwei von uns war das nicht die erste derart intensive Begegnung mit Thors gewaltigen Kräften - im Odenwald semmelte der Gute ja schonmal für meinen Geschmack viel zu nah hinter uns einen Blitz in den Boden.

4 Ingenieure und ein Biologe waren sich jedenfalls schnell einig, dass man besser die Zelte sichern und sich in den nächsten Faradayschen Käfig, d.h. das Auto begeben sollte, zumal ein ziemlicher Sturm über den Felsen fegte, mit einem wunderbar heulenden Echo übrigens - der Fels schrie und brüllte! Irgendwie waren nicht alle so beglückt über dieses faszinierende Unwetter wie ich, aber ich hatte ja auch leicht reden, da Freund und ich auf den Vordersitzen dann gemütlich weiterschliefen, während die anderen wie die Hühner auf der Stange noch eine Stunde auf der Rückbank hockten bis das Unwetter vorbei war...

Zum Abschluss noch etwas unzusammenhängend ein lustiges Warnschild, das wir auf der Wanderung entdeckten:
Nur so zur Erheiterung ;)

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Externsteine: Ein modernes Heiligtum

Moin moin,

vor einigen Wochen war ich mit Freund und unserem Lieblingskumpel an den Externsteinen im Teutoburger Wald. In der spirituellen Szene sind "die Steine" ja recht beliebt und haben da auch eine gewisse Geschichte...

Externsteine, von "hinten" aus gesehen.
Ich war bereits 2003 zur Sommersonnenwende und 2005 am Wochenende vor der Wende schonmal da. Nun wurde es langsam wieder Zeit. Damals hatte ich mit einer Freundin ziemlich unterschiedliche Erfahrungen gemacht: direkt zur Wende war das ganze eher wie ein Festival ohne Musik, will sagen dunkel gekleidete Betrunkene, Zelte, Müll. 2005 war es dann sehr leer, wir konnten viel mehr Atmosphäre genießen. Ein kleines Grüppchen bunt bemalter Leute trommelte und hüpfte mit uns um ihr Lagerfeuer, bis wir dann am Fuße eines Baumes auf der Wiese vor den Steinen einschliefen, mit Blick auf die Milchstraße und später den Sonnenaufgang (Zeltaufbau war damals inzwischen schon untersagt, da haben wir den Schlafsack eben einfach auf die Wiese gelegt).

Nach diesen 10 Jahren hab ich viel neues entdeckt, einiges anders gesehen. Jedenfalls haben wir diesmal viel auch um die Steine herum erkundet und uns vorher einige Infos aus dem Internet zusammengesammelt.
Geschichte vs. Urban Legends...
Dabei fiel uns auf, dass nur wenig wirklich belegte Information zu den Steinen, Höhlen, archäologischen Funden und Plätzen in der Umgebung besteht - der absolute Großteil sind subjektive Erkenntnisse einzelner Personen (die das leider nicht immer als solche deklarieren) oder "Urban Legends", also ungesicherte Infos, die sich so lange weiter verbreiten, dass niemand mehr eine Quelle dafür angeben kann (und/oder will). Und selbst in der wissenschafltichen Literatur sind viele Datierungen und Annahmen zur Funktion der gefundenen Objekte unsicher.

Höhlen in den Steinen.
Der "Wackelstein" - genauso wacklig
kam uns die Mythologie der Externsteine
irgendwann auch vor...
Dass die Externsteine tatsächlich ein "uraltes Heiligtum" waren, wird zwar oft behauptet, aber konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Es gibt archäologische Funde der Alt- und Mittelsteinzeit, die aber nicht auf eine Kultstätte schließen lassen. Dann gibt es über lange Zeit erstmal gar keine Anhaltspunkte, bis schließlich für das Mittelalter eine kultische (aber christliche) Nutzung recht sicher angenommen werden kann.
 
Dieser Wikipedia-Artikel ist recht empfehlenswert für einen ersten Überblick darüber was es alles gibt und was man dazu bislang tatsächlich herausgefunden hat.
 
Na toll, und jetzt?
Die Frustration bei meinen Begleitern war erstmal groß - man hatte doch irgendwie den bedeutendsten ur-heidnischen Megakultplatz der Germanen und ihrer Urahn*innen bis vor mindestens drei Eiszeiten erwartet! Inklusive Instant-Gottheitserlebnis und so. Und dann erfährt man, dass bis auf die christlichen Mönche alles nur auf gelinde gesagt ziemlich wagen Spekulationen beruht und die Höhlensysteme lange Zeit nur ganz profan als Gefängnis genutzt wurden...
Wird Zeit, die Erwartungen hinter sich zu lassen und zu schauen, was man machen kann aus dem, was da ist.
Schauen wir mal, was es noch so gibt...
Also ließen wir die Haupt-Steine und die wilden Spekulationen darüber hinter uns und schauten uns die Umgebung an. Und die verzauberte uns dann doch wieder. Zunächst mit wunderschöner Natur und interessant gewachsenen Bäumen...
Schöne Tiere...
...und merkwürdige Bäume.
Der "Augenbaum", inzwischen leider gefällt...
...trotzdem faszinierend.
...dann begegneten uns immer wieder "Hinweise auf kultische Handlungen" unserer Zeit. An vielen Bäumen hingen Bändchen. Spiralen und andere Zeichen wurden in Felsen geritzt. In einem zugewucherten Tal wurden Labyrinthe und Steinkreise errichtet...
Bunte Bänder hängen immer wieder mal an Bäumen und Gebüschen.
Ich mag Spiralen!
Ein spiraliges Labyrinth.
Einer von recht vielen Steinkreisen.
Ein OM in der Nähe vom Felsengrab.
Letztenendes zählt doch, was die Externsteine heute sind...
...und das ist ein buntes, wunderschönes, vielseitiges, verteiltes Kuddelmuddel von ganz kleinen bis etwas größeren Kultplätzen, die von vielen, ganz individuellen Menschen gefunden, gestaltet oder weiterentwickelt wurden. Die jede*r für sich anders interpretiert und nutzt, und die uns alle zusammenbringen.
 
Es war uns dann irgendwann doch ziemlich egal, was früher dort war oder nicht, ab wann man welche Gottheiten verehrt hat oder ob überhaupt. Man muss diesem Ort nicht extra eine möglichst epische Vergangenheit andichten. Man kann auch einfach bewusst akzeptieren, dass nur wenig rekonstruiert werden kann, und stattdessen diese moderne Entwicklung beobachten und sich darüber freuen - ich hab jedenfalls lieber einen zwei Jahre alten, aber benutzten Steinkreis mit Geschichen derer, die gerade darin getrommelt haben als falsche Informationen darüber, welche Riten angeblich schon vor 10.000 Jahren am Felsengrab vollzogen wurden...
So einen Steinkreis möcht ich mir auch mal bauen...