Freitag, 28. August 2015

Island: Gestank, knusprige Ahnen und zickige Gespenster

Aloha,

heute wird es etwas ungemütlich, denn dieser Teil vom Reisebericht stellt die blubbernden, heißen, nach Schwefel stinkenden Schlammgeysire (Solfatare) von Island vor. Dafür erfahrt ihr aber auch, wie ihr die Seele eurer Ahnen knusprig zubereiten könnt und wie man mithilfe eines Wollknäuls Geister bannen kann...

Wir haben über die ganze Insel verteilt mehrere Solfatarenfelder besucht. Prinzipiell war es also "immer das gleiche", aber die umgebende Landschaft wechselte, so dass auch die Solfataren ganz anders wirkten. Und hin und wieder findet sich ein Schildchen, auf dem eine weitere örtliche Sage steht...

Hverarönd / Hverir am Námafjall - eine wüste Gegend
Unsere erste Begegnung mit diesen blubbernden Schwefelquellen war kurz hinter dem Pass Námaskarð über den Berg Námafjall in der Nähe vom Mývatn-See. Der Pass, übigens auch auf der Rundstraße 1 gelegen, ist wirklich sehenswert. Die Landschaft hier ist, bis auf ein kleines Waldgebiet nördlich der Ringstraße, praktisch eine Schwefel-Sand-Wüste - muss man nicht schön finden, ist aber auf jeden Fall eindrucksvoll. Ablagerungen von Schwefelverbindungen färben den Sand weiß, grau, bläulich und in verschiedenen Brauntönen. Das Solfatarenfeld Hverarönd / Hverir ist schon vom Pass aus zu erkennen (Hveri = Heiße Quelle). Es blubbert hier schon ziemlich heftig, und der Geruch kann manchmal echt übel werden. Riecht im Prinzip nach faulen Eiern, aber man gewöhnt sich nach ein paar Minuten dran.
Im Vordergrund ein Schlammgeysir, im Hintergrund der Pass über den Námafjall.
Ein Highlight war ein kleiner Heißwassergeysir, auf dem rund einen Meter hoch Steine aufgeschüttet waren. Dadurch spritzt das Wasser nicht herum, sondern steigt als riesige Dampfwolke auf, die über den halben Platz zieht. Man kann die Hände über diesem Steinhaufen wärmen wie an einem Lagerfeuer. Wenn man zwischen die Steine schaut, sieht man das kochende Wasser darin herumspritzen.
Links der ca. 1 m hohe Steinhaufen über dem Geysir.
Hier habe ich nochmal ein kurzes Video für euch mit blubberndem Schlamm und dem kleinen Gysir-Steinhaufen, der doch erstaunlich laut ist:
 

Beschauliches Reykjadalur
Die nächsten Schlammgeysire fanden wir in Reykjadalur (Reyk = Rauch). Dieses Tal direkt an der Gemeinde Hveragerði (auch an Straße 1 gelegen) befindet sich ziemlich auf der anderen Seite der Insel. Hier ist es viel feuchter und grüner und es gibt hier auch heiße Quellen und Flüsse, in denen man baden kann (dazu aber mehr in einem späteren Beitrag!).

Auf einer Infotafel in Reykjadalur stieß ich zum ersten mal auf die Sage der bereits in verschiedenen Farbtönen gesichteten Hverafuglar (Heiße-Quelle-Vögel)...
Schlammgeysire gibts auch im Grünen.
So könnte der Hverafugl aussehen...
Der Hverafugl - Ahnenseele als Brathähnchen
Trotz vieler Sichtungen konnte die Existenz dieser Vögel noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, denn ein Hverafugl taucht sofort in die Blase eines Schlammgeysirs ein, sobald sich jemand nähert... Einige Isländer*innen halten die Hverafuglar für Geistwesen, andere für die Seelen von Verstorbenen. Etwas verstörend ist daher der Zubereitungshinweis, den ich auf einer Infotafel fand:  nicht kochen, sondern in kaltes Wasser legen, so schmecken sie sehr lecker.
Seltún, die für mich schönsten Solfataren
Seltún und die Umgebung südlich der Stadt Hafnarfjörður haben wir eher durch Zufall angeschaut, weil wir am letzten Tag vor dem Rückflug noch einige Stunden Zeit hatten. Ich fand, dass dies eigentlich die schönsten Solfataren von Island waren. Da man auf der Strecke vom Flughafen Keflarvik nach Reykjavik nur auf die Straße 42 einbiegen und ca. 20 Minuten nach Süden fahren muss, ist es auch sehr leicht zu erreichen.
Die inzwischen wohlbekannten Schwefeltümpel...
... und Ablagerungen.
Auf kleinen Holzstegen kann man ziemlich nah an die blubbernden Löcher herangehen. Hier zeigt sich Island außerdem wieder in einer unglaublichen Farbvielfalt...
Landschaft bei Seltún...
Gunnuhver - eine tragische Geschichte
Von Seltún aus sind wir dann noch weiter um die Reykjanes-Halbinsel herumgefahren. Am ganz südwestlichsten Zipfel liegt das Hochtemperaturgebiet Gunnuhver, das nach dem Gespenst einer Isländerin benannt ist.

Guðrún Önundardóttir war eine alte Frau, die um 1700 in Sandgerði lebte. Als sie ihre Schulden an den Besitzer des Landes, Vilhjálmur Jónsson, nicht mehr zahlen konnte, beschlagnahmte dieser schließlich alles, was die arme Gunna noch besaß - ihren Kochtopf. Daraufhin verlor Gunna ihren Verstand und starb schließlich. Als Männer aus dem Dorf kamen, um den Sarg aus ihrer Kate zu tragen, fiel ihnen auf, dass dieser sehr leicht war. Als das Grab ausgehoben wurde, hörte man Gunna aus dem Sarg sagen: "Nicht tief graben, will nicht lange liegen." In der folgenden Nacht wurde Vilhjálmur Jónsson tot aufgefunden - blau angelaufen und mit gebrochenen Knochen. Kurz darauf starben auch seine Frau und einige weitere Menschen, die Gunna das Leben schwer gemacht hatten. Andere Dorfbewohner wurden verrückt...

Schließlich suchte man Hilfe beim zauberkundigen Pastor Erikur von Vogsósar, um den Spuk zu beenden. Er nahm ein Wollknäul, dessen Ende Gunna fassen sollte. Daraufhin wurde das Knäul bis zu einer Stelle abgerollt, an der Gunna keinen Schaden anrichten konnte - im Solfatarenfeld. Man warf den Rest des Knäuls in einen Schlammgeysir, und Gunna sprang hinterher.
 
Gunnuhver - der türkise Strich im Hintergrund ist übrigens Wasser mit Kieselalgen,
wie es in einigen Thermalbädern in Island vorzufinden ist.
Natürlich ist sie darüber nicht besonders beglückt, sondern zischt und brodelt und stinkt! Hellsichtige Menschen können Gunna sehen, wie sie auf den Kraterränden balanciert oder in eines der Schlammlöcher fällt. Wo hier die Geschichte aufhört und die Sage beginnt, ist wohl jedem selbst überlassen...
 
Gunnas Zorn sieht man zum Beispiel beim neuesten Schlammgeysir. Der zeigt auch, wie schnell sich solche geothermalen Gebiete verändern können. Er entstand im September 2014 spontan direkt unter einem Holzsteg und spie damals alle Veirtelstunde bis zu 20 m hohe Säulen kochenden Schlamms in die Luft. Als wir im Juli 2015 da waren, war es nicht mehr ganz so dramatisch, aber immer noch eindrucksvoll: es sprudelte durchgehend ca. 4 bis 5 m hoch, machte einen fürchterlichen Krach und eine riesige Dampfwolke!
Gunna ist wütend und haut die Holzstege kaputt!

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