Freitag, 27. November 2015

Deutschlands südlichste Menhiranlage - gleich bei mir um die Ecke!

Moin moin,
neulich stieß ich ganz zufällig darauf, dass gar nicht weit von unserem Feld eine Menhiranlage steht. Jawoll, eine echte (naja, gut, zwischenzeitlich von einem wütenden Bauern demolierte, nicht mehr ganz komplette, aber trotzdem) jungsteinzeitliche Menhiranlage direkt neben Darmstadt - die einzige dieser Art in Hessen und Süddeutschland (sonst gibts nur noch einzelne Steine)!
Heute wollte ich sowieso mal wieder aufs Feld, ein bisschen Salat und Petersilie besorgen und die letzten Pastinaken. Also bin ich ein Stück weiter geradelt und hab diese ominöse "Menhiranlage Hirtenwiese" gesucht. Das Wetter war ganz so, wie ich es liebe: kalt und neblig. Weil es nachts geschneit hatte, tropfte es um mich herum von den Bäumen.
 
Irgendwann trat ich aus dem Wald auf neblige Wiesen hinaus, und kurz darauf war die Menhiranlage auch schon ausgeschildert. Durch sie hindurch führt inzwischen ein Bach, in den doch tatsächlich gerade als ich vorbei kam ein Otter sprang und davonpaddelte (vermute ich zumindest, denn vom Biber angenagte Bäume konnte ich nirgends entdecken).
Der Weg zur Menhiranlage.
Bach und Brücke in der Anlage.
Ursprünglich floss der wohl etwas weiter entfernt, ebenso gab es früher auch den Wald noch nicht - erst in den 1920er Jahren wurde dieser angelegt, davor waren die Steine über eine weite Ebene gut sichtbar.
Es ist schon schade, was mit den Steinen passiert ist... Aufgestellt wurden sie irgendwann vor ca. 4.000 - 4.500 Jahren, vermutlich war es damals ein Steinkreis aus mindestens 14 Steinen. Von diesen sind heute gerade mal 7 übrig, die ein bisschen wie Kraut und Rüben stehen, jedenfalls nicht in einem Kreis.
Der größte Menhir.
Sechs der sieben (einer ist noch ganz links in Dunkelgrau),
der siebente befindet sich rechts auf der anderen Seite des Baches.
Wohin der Rest der Anlage verschwunden ist, weiß man nicht. Reinhard Möws schreibt auf seiner übrigens sehr empfehlenswerten Homepage über Großsteingräber und Megalithbauwerke, dass 1951 ein Bauer einen der Steine sprengte, der 34 m entfernt vom Bach auf der Wiese stand. Dass es sich dabei überhaupt um eine Menhiranlage handelt, wurde merkwürdigerweise erst 1967 festgestellt, also kann man es dem Bauern wohl nicht krumm nehmen. Auch nicht, dass man die meisten der verbliebenen Steine dann im Bach liegend vorfand...
In der Umgebung wurden bei Ausgrabungen übrigens Gegenstände aus Epochen von der Altsteinzeit (ca. 35.000 v.u.Z.) bis hin zur frühen Zeit der Kelten (vor 2.500 - 2.800 Jahren) gefunden.
Aussicht über die Wiese. Ein Kreis ist das wirklich nicht mehr, aber trotzdem hübsch.
Nunja, wir haben also eine Menhiranlage um die Ecke, die noch maximal die Hälfte ihrer Steine besitzt, von denen wohl keiner mehr weiß wo welcher mal stand, und durch die jetzt ein Bach fließt (in dem Otter leben, oder irgendwas anderes braunes, dickes das schwimmen kann). Ich will nicht meckern - besser ein halber Steinkreis, der eher wie ne Schlangenlinie aussieht, als gar keiner. Und die Umbegung ist dort im Naturschutzgebiet wirklich unerwartet schön gewesen!

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Oh du wunderschöne Loreley...

Moin moin,

eigentlich wollte ich schon vor geraumer Zeit über einen Wochenendausflug bloggen. Als ich von Mai bis Juli diesen Jahres wegen Dienstreisen relativ häufig die wunderschöne Bahnstrecke am Rhein entlang fuhr, bei der man auch die Loreley sieht, hab ich mich ein bisschen in dieses Stück Flusstal verliebt... Die steilen, grünen Hänge, die wilden Kurven des Flusses, die Burgen, die hier und da am Berg kleben... Als Freund, ich und drei Kumpels nach einem spontanen Ziel für einen Campingausflug suchten, quetschten wir uns kurzentschlossen zusammen mit unserem Equipment ins Auto und fuhren zur Loreley.

Schon der Name des rund 130 m hohen Loreleyfelsens in einer engen Flusskurve ist wunderbar mystisch: "Ley" ist noch relativ sicher auf das keltische Wort für Schieferfelsen zurückzuführen, zum Rest des Namens gibt es mehrere Theorien. Die Loreley ist demnach entweder ein summender Fels (rheinisches "luren" = summen), ein Elfenfels (mittelhochdeutsches "lur" = Elfe), ein lauernder Fels (mittelhochdeutsches "luren" = lauern) oder ein schreiender Fels (mittelhochdeutsches "lorren/lurren" = schreien). Wie die Geschichte des Loreleyfelsens zeigt, passen alle Namen irgendwie...
Der summende Fels
Im Rheintal am Loreleyfelsen gibt es ein sehr starkes, siebenfaches Echo. Daher wurde früher das Rauschen des Rheins an den Klippen am Ufer mehrfach zurückgeworfen und erzeugte ein beständiges Rauschen und Murmeln. Es schien, als würden diese Geräusche aus dem Felsen selbst kommen. Da man es nicht anders erklären konnte ging man davon aus, dass Zwerge in Höhlen im Felsen hausten und wild durcheinander redeten.
 
Inzwischen ist das Rheinufer für die Schiffbarkeit verändert worden, so dass dieser Effekt kaum noch zu bemerken ist.

Blick von der Loreley ins Rheintal.

Statue der Loreley auf dem Felsen.
Der Elfenfels - Die Sagengestalt Loreley
Loreley ist auch der Name einer Zauberin, Nixe, Sirene oder Elfe, deren Geschichte viele verschiedene Versionen hat. "Erfunden" wurde sie vom Dichter Clemens Brentano 1801/02. In seiner Ballade ist Lore Ley eine schöne Frau, in die sich jeder Mann sofort verliebt und daraufhin blindlings in sein Verderben rennt - nur den einen Mann den sie selbst gern hätte bekommt sie nicht. Des Lebens müde möchte sie ins Kloster gehen, allerdings auf dem Weg dorthin noch einmal vom Loreleyfelsen aus das Schloss ihres Geliebten sehen. Da glaubt sie, diesen auf einem Boot auf dem Rhein zu sehen. Dabei beugt sie sich zu weit nach vorn und stürzt schließlich den Felsen hinunter.

In den folgenden Jahren wurde die Figur der Loreley von vielen Künstlern der Romantik aufgegriffen.
Sie wandelte sich schließlich zu einer Nixe bzw. Sirene, die durch ihren Gesang und ihre Schönheit die Seefahrer ablenkt, deren Schiffe dann vom Rhein verschlungen werden, und wurde zu einer der populärsten örtlichen Sagengestalten in Deutschland. Ihre Form als Sirene führt uns zum nächsten möglichen Namensursprung des Loreleyfelsens...

Der lauernde Fels
Der Rhein war schon zu Zeiten der alten Römer ein wichtiger und vielbefahrener Handelsweg - und die Gegend um die Loreley wird tatsächlich als gefährlichster Abschnitt davon angesehen. Ein ganz wundervoller Wasserbauprofessor hat damals in meinem Studium eine komplette Vorlesung dem Phänomen der Loreley gewidmet, um uns die Geschichte und den vermutlichen Hintergrund der Sirenen-Sage näherzubringen. Um es grob zusammenzufassen: der Rhein verengt sich an dieser Stelle sehr stark, wodurch er schneller wird. Außerdem gibt es durch die vielen Kurven, Kluften, Felsrippen und Sandbänke unvorhersehbare Strömungen und Strudel.

Es ertranken bei der Loreley so viele Seefahrer, dass sich im 6. Jahrhundert der Priester St. Goar auf der anderen Rheinseite niederließ, um Schiffbrüchige aus dem Wasser zu ziehen und zu pflegen. Die Stadt, die dort entstand, heißt heute Sankt Goar, und bis vor knapp 100 Jahren wurden vor dem Passieren der Loreley die Schiffsbesatzungen mit drei Glockenschlägen zu einem Gebet aufgefordert.

In den 1930er Jahren wurden schließlich die meisten Felsenrippen gesprengt, so dass die Loreleypassage bei weitem nicht mehr so gefährlich ist wie früher. Außerdem ist eine Fahrrinne vorgegeben. Dennoch passieren immer wieder Unfälle, vor allem bei ungewohnten Wasserständen. Erst im Januar 2011 kenterte ein Tankschiff, zwei Besatzungsmitglieder ertranken im eiskalten Wasser...
...und in unserem Fall: der schreiende Fels
Angetan von der mystischen und traurigen Geschichte wanderten wir in einer unglaublichen Hitze von der Loreley herunter, um die Burg Katz herum und mit einem etwas unfreiwilligen Umweg wieder zurück. Ob dies die Burg des Geliebten war, auf die Lore Ley in der Ballade noch einmal blicken wollte, bevor sie den Fels hinunterstürzte?

Abends bauten wir unsere Zelte auf dem Zeltplatz direkt auf dem Loreleyfelsen auf - und wurden mitten in der Nacht durch ein unglaublich heftiges Gewitter geweckt!

Die Burg Katz, flussabwärts der Loreley.
Thor zeigte so richtig, was er konnte, und durch das siebenfache Echo hallte jeder Donarsschlag mit einer ohrenbetäubenden Lautstärke das Rheintal rauf und runter. Zumindest für zwei von uns war das nicht die erste derart intensive Begegnung mit Thors gewaltigen Kräften - im Odenwald semmelte der Gute ja schonmal für meinen Geschmack viel zu nah hinter uns einen Blitz in den Boden.

4 Ingenieure und ein Biologe waren sich jedenfalls schnell einig, dass man besser die Zelte sichern und sich in den nächsten Faradayschen Käfig, d.h. das Auto begeben sollte, zumal ein ziemlicher Sturm über den Felsen fegte, mit einem wunderbar heulenden Echo übrigens - der Fels schrie und brüllte! Irgendwie waren nicht alle so beglückt über dieses faszinierende Unwetter wie ich, aber ich hatte ja auch leicht reden, da Freund und ich auf den Vordersitzen dann gemütlich weiterschliefen, während die anderen wie die Hühner auf der Stange noch eine Stunde auf der Rückbank hockten bis das Unwetter vorbei war...

Zum Abschluss noch etwas unzusammenhängend ein lustiges Warnschild, das wir auf der Wanderung entdeckten:
Nur so zur Erheiterung ;)

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Externsteine: Ein modernes Heiligtum

Moin moin,

vor einigen Wochen war ich mit Freund und unserem Lieblingskumpel an den Externsteinen im Teutoburger Wald. In der spirituellen Szene sind "die Steine" ja recht beliebt und haben da auch eine gewisse Geschichte...

Externsteine, von "hinten" aus gesehen.
Ich war bereits 2003 zur Sommersonnenwende und 2005 am Wochenende vor der Wende schonmal da. Nun wurde es langsam wieder Zeit. Damals hatte ich mit einer Freundin ziemlich unterschiedliche Erfahrungen gemacht: direkt zur Wende war das ganze eher wie ein Festival ohne Musik, will sagen dunkel gekleidete Betrunkene, Zelte, Müll. 2005 war es dann sehr leer, wir konnten viel mehr Atmosphäre genießen. Ein kleines Grüppchen bunt bemalter Leute trommelte und hüpfte mit uns um ihr Lagerfeuer, bis wir dann am Fuße eines Baumes auf der Wiese vor den Steinen einschliefen, mit Blick auf die Milchstraße und später den Sonnenaufgang (Zeltaufbau war damals inzwischen schon untersagt, da haben wir den Schlafsack eben einfach auf die Wiese gelegt).

Nach diesen 10 Jahren hab ich viel neues entdeckt, einiges anders gesehen. Jedenfalls haben wir diesmal viel auch um die Steine herum erkundet und uns vorher einige Infos aus dem Internet zusammengesammelt.
Geschichte vs. Urban Legends...
Dabei fiel uns auf, dass nur wenig wirklich belegte Information zu den Steinen, Höhlen, archäologischen Funden und Plätzen in der Umgebung besteht - der absolute Großteil sind subjektive Erkenntnisse einzelner Personen (die das leider nicht immer als solche deklarieren) oder "Urban Legends", also ungesicherte Infos, die sich so lange weiter verbreiten, dass niemand mehr eine Quelle dafür angeben kann (und/oder will). Und selbst in der wissenschafltichen Literatur sind viele Datierungen und Annahmen zur Funktion der gefundenen Objekte unsicher.

Höhlen in den Steinen.
Der "Wackelstein" - genauso wacklig
kam uns die Mythologie der Externsteine
irgendwann auch vor...
Dass die Externsteine tatsächlich ein "uraltes Heiligtum" waren, wird zwar oft behauptet, aber konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Es gibt archäologische Funde der Alt- und Mittelsteinzeit, die aber nicht auf eine Kultstätte schließen lassen. Dann gibt es über lange Zeit erstmal gar keine Anhaltspunkte, bis schließlich für das Mittelalter eine kultische (aber christliche) Nutzung recht sicher angenommen werden kann.
 
Dieser Wikipedia-Artikel ist recht empfehlenswert für einen ersten Überblick darüber was es alles gibt und was man dazu bislang tatsächlich herausgefunden hat.
 
Na toll, und jetzt?
Die Frustration bei meinen Begleitern war erstmal groß - man hatte doch irgendwie den bedeutendsten ur-heidnischen Megakultplatz der Germanen und ihrer Urahn*innen bis vor mindestens drei Eiszeiten erwartet! Inklusive Instant-Gottheitserlebnis und so. Und dann erfährt man, dass bis auf die christlichen Mönche alles nur auf gelinde gesagt ziemlich wagen Spekulationen beruht und die Höhlensysteme lange Zeit nur ganz profan als Gefängnis genutzt wurden...
Wird Zeit, die Erwartungen hinter sich zu lassen und zu schauen, was man machen kann aus dem, was da ist.
Schauen wir mal, was es noch so gibt...
Also ließen wir die Haupt-Steine und die wilden Spekulationen darüber hinter uns und schauten uns die Umgebung an. Und die verzauberte uns dann doch wieder. Zunächst mit wunderschöner Natur und interessant gewachsenen Bäumen...
Schöne Tiere...
...und merkwürdige Bäume.
Der "Augenbaum", inzwischen leider gefällt...
...trotzdem faszinierend.
...dann begegneten uns immer wieder "Hinweise auf kultische Handlungen" unserer Zeit. An vielen Bäumen hingen Bändchen. Spiralen und andere Zeichen wurden in Felsen geritzt. In einem zugewucherten Tal wurden Labyrinthe und Steinkreise errichtet...
Bunte Bänder hängen immer wieder mal an Bäumen und Gebüschen.
Ich mag Spiralen!
Ein spiraliges Labyrinth.
Einer von recht vielen Steinkreisen.
Ein OM in der Nähe vom Felsengrab.
Letztenendes zählt doch, was die Externsteine heute sind...
...und das ist ein buntes, wunderschönes, vielseitiges, verteiltes Kuddelmuddel von ganz kleinen bis etwas größeren Kultplätzen, die von vielen, ganz individuellen Menschen gefunden, gestaltet oder weiterentwickelt wurden. Die jede*r für sich anders interpretiert und nutzt, und die uns alle zusammenbringen.
 
Es war uns dann irgendwann doch ziemlich egal, was früher dort war oder nicht, ab wann man welche Gottheiten verehrt hat oder ob überhaupt. Man muss diesem Ort nicht extra eine möglichst epische Vergangenheit andichten. Man kann auch einfach bewusst akzeptieren, dass nur wenig rekonstruiert werden kann, und stattdessen diese moderne Entwicklung beobachten und sich darüber freuen - ich hab jedenfalls lieber einen zwei Jahre alten, aber benutzten Steinkreis mit Geschichen derer, die gerade darin getrommelt haben als falsche Informationen darüber, welche Riten angeblich schon vor 10.000 Jahren am Felsengrab vollzogen wurden...
So einen Steinkreis möcht ich mir auch mal bauen...

Montag, 28. September 2015

König Eckbert ist tot und ein riesiger Blutmond tut sich auf!

Aloha ihr Lieben,

vielleicht erinnert ihr euch, Freund und ich haben dieses Jahr ja ein Stück Feld gemietet (und einige Bräuche dazu ausprobiert, wie ich hier gebloggt hatte). Beginnend mit Lammas bzw. dem Schnitterfest um Anfang August bis Halloween/Samhain Ende Oktober ist nun quasi Hochsaision für Erntefeste.
Früher war ich etwas irritiert, dass man so lange/oft die Ernte feiert. Jetzt mit dem Feld seh ich das ein! Im August gab es fast jeden Tag Rüben, Gurken, Bohnen und Kartoffeln zu essen, den ganzen September haben wir wie bekloppt Tomaten, Kohl und Kürbis geerntet und verarbeitet und für Oktober stehen jetzt noch die letzten Kohlköppe, viel zu viel Lauch, immer noch Kürbis und der nächste Schub Bohnen an. Im Prinzip könnte man die Erntefeste auch noch durch ein Rübenfest im November und ein Salatblót von Juni bis Juli erweitern (da wussten wir echt nicht wohin mit dem Zeug und haben sämtliche Freunde damit durchgefüttert).
Zeug vom Feld.
Unser ganzer Stolz auf dem Feld, auf den wir auch oft angesprochen wurden, war König Eckbert, ein leuchtend oranger Kürbis. Irgendwo zwischen den Kartoffeln residierte auch noch Prinzessin Nimue, eher gelblich, die wir leider vorzeitig abernten mussten, weil sie nach einer sehr nassen Woche untenrum matschig wurde. Nimue hat damals zusammen mit ein paar Kartoffeln schon ca. 10 Liter Suppe ergeben und keine drei Wochen später saß schon eine Nimue II zwischen den Kartoffeln, fast genau so groß wieder.
Ein König wurde geopfert!
Beide Kürbispflanzen wurden von uns auch liebevoll regelmäßig mit abartig stinkender Brennesseljauche gedüngt. Während Nimue II derzeit noch versucht, ihren Machtbereich auf das (inzwischen bereits verlassene) Feldstück neben uns auszuweiten, ist König Eckbert am Wochenende abgedankt - die Pflanze hatte wirklich alle erdenkbare Energie in die einzige Frucht gepumpt. König Eckbert klang recht hohl, wenn man an ihm klopfte - eigentlich wollten wir ihn zu Halloween opfern, aber wir bekamen dann aufgrund der Mäuseansiedlung unterhalb der Pflanze doch etwas Panik und so wurde die Axt gezückt und mit einem Schlag der König von seinem Grünzeug getrennt! In der Schubkarre brachten wir ihn begleitet von ganz viel Hofstaat zum Auto - der Kofferraum senkte sich gleich merklich ab, kein Wunder, der König hatte ja auch einen Durchmesser von 45 cm!
Eine Waage haben wir nicht, aber ich bekam ihn ungefähr so weit angehoben wie Mjöllnir, also gar nicht - vermute er wiegt irgendwas über 30 kg.
Zuhause wurde König Eckbert brutal ausgeweidet. Es zog sich etwas hin, aber am Ende hatten wir aus ihm, mehreren Petersiliepflanzen, einem Haufen Karotten und Kartoffeln etwa 21 Liter Suppe (12,5 davon eingeweckt, 3 im Bauch, den Rest im Kühlschrank). Und während Freund und ich so am kochen waren, beschwor unser Lieblingskumpel den Geist von König Eckbert, der von nun an auf dem Balkon residiert und uns ins Fenster grinst - hoffentlich hält er sich lange.
König Eckberts Geist grinst dämonisch
auf dem Balkon herum.
Geopfert haben wir ihn übrigens trotzdem zu einem recht passenden Zeitpunkt, denn es war gerade Erntemond - der Vollmond nach der Herbst-Tagundnachtgleiche. Er erhielt seinen Namen daher, dass früher eben (wie auch jetzt bei uns) zu dieser Zeit der größte Teil der Ernte eingeholt werden musste, bevor es für viele der Pflanzen zu kalt wurde. Manchmal ging es dabei um jede Stunde, so dass auch während des Vollmondlichts gearbeitet wurde (wir haben zwar nicht auf dem Feld geackert, aber ausgehöhlt, geschnippelt und gekocht...). Der Erntemond hat außerdem noch die Besonderheit, dass er über einige Tage lang fast zur gleichen Uhrzeit aufgeht und dabei, wenn er noch niedrig steht, rötlich wirkt. Der Erntemond dieses Jahr ist nochmal besonders speziell: wie ihr bestimmt mitbekommen habt, gab es heute Nacht eine Mondfinsternis, die den Mond rot färbte.
Merkwürdig leuchtender Blutmond.
Zu diesem Blutmond gibt es verschiedene Sagen - generell war es ein schlechtes Omen und kündete von Unheil und Veränderungen. In der germanischen Mythologie verfolgt der Wolf Hati, Sohn des Fenriswolfes, im Himmel den Wagen des Mondgottes Mani. Sein Zwillingsbruder Skalli verfolgt den Wagen der Sonnengöttin Sol. Somit werden beide Himmelskörper über den Himmel gejagt. Am Tag der Ragnarök, des Schicksals der Götter, werden die Wölfe sie erreichen und verschlingen und unsere Welt wird untergehen.
Bei einer Mond- oder Sonnenfinsternis glaubte man, dass einer der Wölfe den Himmelskörper erreicht habe und danach schnappte - entsprechend groß dürfte die Angst gewesen sein, dass der Weltuntergang unmittelbar bevor steht. Tatsächlich sah der Mond heute Nacht irgendwie "angeknabbert" aus, als er sich vom Halbschatten der Erde in den Kernschatten schob. "Im Kernschatten" bedeutet, dass die Erde genau zwischen Mond und Sonne steht. Allerdings ist es dort nicht zappeduster, wie das Wort vermuten lässt, sondern Lichtstrahlen der Sonne "biegen" sich um die Erde und fallen daher dennoch auf den Mond - durch die Biegung als langwellige Strahlung, und daher rot.
Mit etwas Gefummel hab ich davon ein halbwegs brauchbares Foto hinbekommen... 

Donnerstag, 24. September 2015

Island: Erfahrungen und Reisetipps

Aloha,
heute kommt mein vorerst letzter Blogeintrag zum Thema Island...
Es sind die kleinen Anekdoten und lustigen Sachen, die einem zwischendrin auffielen, und am ehesten das, was ich anderen, die nach Island fahren möchten, mit auf den Weg geben würde. Also:
1. Wohnen
Hotels oder gar Ferienhäuser sind in Island unglaublich teuer. Vor allem wenn man in der Hauptsaison, also Juni/Juli fliegt (genau wie wir übrigens - ging leider nicht anders). Günstiger sind Privatunterkünfte über z.B. airbnb. Die Hosts geben einem dort auch tolle Tipps und stehen im allgemeinen hilfreich zur Seite. Wir haben bislang fast nur gute Erfahrungen gemacht. Ausnahme war ein absolutes Loch in Reykjavík - aber es kostete nur 40 € pro Nacht und ausgehend von den Bewertungen wussten wir in etwa, was uns erwartet (bis auf die zerschlagene Fensterscheibe, die war neu...).
 
Aus unserem Fenster gegenüber von Akureyri.
2. Essen und Wasser
Auch Lebensmittel sind sehr teuer. Wenn es geht, sollte man sich Fertiggerichte mitbringen. Wir haben leider im allgemeinen Chaos der Vorbereitung nur Unmengen an Frühstückskeksen, Knabberkram, Brot und Schokoaufstrich eingepackt, aber auch das erwies sich als gute Investition, um uns morgens und über den Tag zu ernähren. Abends haben wir dann in unserer jeweiligen airbnb-Unterkunft gekocht, meist Nudeln mit Tomatensauce, eingekauft bei "Bonus", dem isländischen Aldi (erkennbar am Sparschwein-Logo). Tiefgefrorene Meeresfrüchte in Großmengen sind dort auch vergleichsweise günstig, nur halt eher ungünstig für nen Roadtrip... Nach einer Woche Nudeln haben wir uns dann mal den Luxus gegönnt, in einem subway "Essen zu gehen". Zwei ganze Subs und ein Getränk kamen umgerechnet etwa 20 €. Döner in Reykjavík kostet rund 10 €, ein richtiges Restaurant pro Hauptgericht ab ca. 50 € aufwärts.
Wasser aus dem Hahn kann je nach Region kochendheiß sein oder extrem nach faulen Eiern riechen/schmecken. Beides ist völlig normal - daher Trinkwasser lieber auf Vorrat mitnehmen und beim Duschen die Temperatur sehr vorsichtig antesten!
 
50 km Wellblechpiste - yäy.
3. Mobilität und Straßen
Wer einigermaßen unabhängig etwas vom Land sehen will, sollte ein Auto mieten. Für ein Umfahren auf der fast durchgängig asphaltierten Ringstraße (Straße 1) reicht ein normaler PKW völlig aus - unsere Nuckelpinne packte auch gelegentliche Schotterpisten und Steigungen von 19%, wie sie manchmal bei Abzweigungen von der Ringstraße vorkommen. Diese sind im Uhrzeigersinn ausgehend von der Ringstraße übersichtlich durchnummeriert, häufig haben sie zusätzlich noch einen Namen, der drauf hinweist wo sie hinführen (z.B. Fossvegur = der Weg zum Foss).
Eine Steinschlagversicherung ist zusätzlich sinnvoll, selbst wenn man keine Schotterpisten fährt. Uns hat nämlich schon am 3. Tag in Akureyri ein entgegenkommender Jeep einen Stein in die Scheibe geschleudert, der ihm offenbar irgendwo am Reifen klebte. Außerdem gibt es noch eine Zusatzversicherung gegen zerkratzten Lack durch Sandstürme - hielten wir für übertrieben, bis wir den Sturm am Skeiðarársandur mitbekommen haben, aber glücklicherweise ist nix passiert.

Klar kann man auch einen Jeep mieten, denn auf Hochlandpisten ins Landesinnere darf man mit den normalen PKW nicht (und sollte es auch aus eigenem Interesse nicht tun). Aber schon der Standard-PKW ist ziemlich teuer. Wenn man nur ein oder zwei Trips ins Hochland machen will, lohnt sich eher eine geführte Tour oder ein Linienbus (ja, es gibt Jeep-Linienbusse, die quer durch die Insel fahren!). Wir kennen auch eine Person, die eine komplette Rundreise mit diesen Bussen geplant hat. Auch per Anhalter fahren ist in Island sehr verbreitet - daher sollte man mit einem Mietwagen wenn möglich auch andere Leute mitnehmen.
 
4. Bleib auf den Wegen!
Das gilt für jegliches Verkehrsmittel, Füße eingeschlossen. Islands Landschaften sind alle relativ jung, dementsprechend ist auch der Boden überall noch sehr dünn - wer darauf tritt oder gar fährt, kann den Boden und die Vegetation wieder für Jahrtausende (!) in der Entwicklung zurückwerfen. Entsprechend hoch sind übrigens die Strafen, wenn man mit seinem Jeep nicht auf der Piste bleibt oder ein "nicht betreten"-Schild ignoriert... Touris verstehen das oft nicht und treten auf Gras, Moos oder blanke Steine, um lustige Fotos zu machen.


Zaghafte Vegetation.
Bei Schwefelfeldern ist das auf-den-Wegen-bleiben schon schlicht aus Gründen des Überlebens anzuraten, aber selbst da gibt es Spezialist*innen, die 10 cm vom Rand des Blubberlochs einen Fußabdruck generieren...

5. Isländisch klingt lustig
Normalerweise lern ich gern ein paar Worte in der jeweiligen Landessprache, bevor ich irgendwo hin reise. Isländisch sieht erstmal mit ein bisschen gutem Willen aus wie ein rustikales altes Deutsch (z.B. Inngangur und Útgangur für Eingang und Ausgang). Aber spätestens die Aussprache bricht Ungeübten das Genick bzw. die Zunge. Eyjafjallajökull, der Gletscher über dem bekannten Vulkan, wird z.B. "Äija-fjatlar-jökütl" ausgesprochen. Aber Isländer*innen freuen sich immer sehr, wenn jemand sich an ihrer Sprache versucht, und leisten unermüdlich Hilfestellung beim richtigen Aussprechen. Wenn gar nix klappt, kann man auch einfach Englisch reden - da ausländische Bücher und Filme normalerweise nicht übersetzt werden, weil sich das für grad mal 330.000 Menschen schlicht nicht lohnt, gibt es die in den Geschäften eben auf Englisch, was anscheinend alle sehr gut beherrschen.

Abends, halb elf in Blönduos..
6. Sonne oder nicht Sonne...
Island berührt den Polarkreis - daher ist es dort nicht nur relativ kalt, auch die Sonne macht witzige Sachen. Im Winter kriecht sie am Horizont herum und gibt nur um die 4 Stunden Schummer-Licht pro Tag. Im Sommer dreht sie sich am Himmel praktisch nur im Kreis und geht nicht wirklich unter.
Das wirft den Tagesrhythmus erstmal aus der Bahn... Positiv ist, dass man die ganze Nacht über problemlos fotografieren kann, negativ natürlich, dass bei Sonnenschein keine Polarlichter sichtbar sind...
7. Günstiges, Abzocke und nette Einheimische
Auch zur Freizeitgestaltung im Urlaub kann man in Island ein Vermögen hinblättern. Erfreudlicherweise ist aber die Natur fast immer kostenlos: Solfatarenfelder, Dimmuborgir, Thingvellir, die Wasserfälle und eigentlich alles, was wir gesehen haben, kostete weder Eintritt noch Parkgebühr (was besonders erfreulich ist, wenn man es von Irland schon gewohnt war für jeden Erdhubbel 3 € pro Nase zu bezahlen). Bei vielen der kostenlosen Parkplätze gab es sogar kostenlose Toiletten (außer bei Thingvellir). Trotzdem stehen überall Campingtische und ausführlich und liebevoll gestaltete Infotafeln herum und Holzbohlen mit Geländer bieten sichere Wege.
 
Typisch für Island: Campingtische irgendwo im Nirgendwo...
 
Ansonsten gibt es z.B. folgende Touriangebote (Preise Stand Sommer 2015):
  • Phallusmuseum in Reykjavík (8 €, recht klein, aber wann bekommt man schonmal die Gelegenheit sich neben einem Pottwal-Schniepel zu fotografieren)
  • Tour im Schlauchboot auf dem Gletschersee Jökullsárlón (ca. 35 € für 30 - 45 Minuten)
  • Thermalbad "Blue Lagoon" (50 € - Alternative wenn man bis dahin kommt: "Mývatn Nature Bath", ist etwas kleiner, deutlich weniger überfüllt, hat praktisch das gleiche Wasser und kostet nur die Hälfte)
  • Gletscherwanderungen (ab ca. 60 €)
  • Whalewatching (von Húsavík aus ab ca. 65 €)
  • Reitausflüge (ca. 60 € für 2-3 Stunden)
  • Schnorcheln in der Sifra-Spalte (120 €), wer richtig tauchen möchte zahlt 280 €
  • falls jemand so richtig Schotter loswerden will, gibt es Helikoptertouren über Krater und Gletscher zwischen 300 und 2.200 € pro Person...
Wir haben das Whalewatching mitgemacht und zumindest ein Stück Rücken vom Buckelwal und diverse Delfine gesehen. Die 4 Stunden hätte man auch besser nutzen können, aber ist halt auch Glückssache. Zumindest gab es Kakao und Kekse auf der Rückfahrt und das kleine Holzfischerboot auf dem Ozean war ja für sich auch schon ein Erlebnis (allerdings nix für Leute mit schwachem Magen). Durch das Unterstützen von Whalewatching hilft man übrigens auch, den Walfang zu bekämpfen - denn seit die Touris Geld fürs Beobachten einbringen, steigt das Interesse am Erhalt der Wale.

Menschen in Island sind recht geschäftstüchtig... so hat ein Landwirt, dessen Hof unterhalb des Eyjafjallajökulls liegt, den Vulkanausbruch 2010 genutzt, um Fotos und Videoaufnahmen zu machen. Danach baute er einen Geräteschuppen nahe der Straße in ein "Visitorcenter" um. Herumliegende Asche wurde noch fix eingesammelt und in Gläschen gefüllt, die für 10 € das Stück verkauft werden...
Museen werden anscheinend generell gern gegründet, oft von Privatpersonen, die eine Sammlung von irgendwas haben, beispielsweise besagte Phalli. Heimatmuseen wie das in Skógar sind zwar winzelig klein, haben aber oft sehr kuriose Dinge, lustige Geschichten und liebenswürdige Mitarbeitende. Wir sind absolute Fans solcher Museen! Auch sehr schön war ein Troll- & Elfenmuseum in Stokkseyri, in dem ganze Höhlen inklusive Wasserfällen und riesigem schnarchenden Troll liebevoll selbstgebastelt wurden.

Was man aber mal betonen muss: die Isländer*innen waren eigentlich ausnahmslos nett, freundlich, großzügig und hilfsbereit! Eines Nachts gegen ein Uhr strandeten wir auf einem Campingplatz und schliefen dort im Auto (hierzu angemerkt: sämtlicher Dreck und Müll scheint sich in Island auf die sanitären Einrichtungen von Campingplätzen und auf unsere airbnb-Unterkunft in Reykjavík zu konzentrieren - sofern man diese Orte meidet, kann man also wunderbar gepflegte Städtchen und saubere Natur genießen). Am nächsten Morgen wollten wir weiterfahren und bezahlen, aber im Rezeptionshüttchen war niemand. Aufgrund des starken Sturms versuchten wir auch nicht, die Geldscheine irgendwie an die Tür zu klemmen oder so, sondern schrieben eine Mail mit Bitte um Bankdaten, damit wir das überweisen konnten (war glaube ich irgendwas um die 20 €). Am Abend erhielten wir die Antwort wir bräuchten nicht zahlen, das sei schon ok, man wünsche uns einen schönen Resturlaub und gutes Wetter.
Im Phallusmuseum wollte Freund gern zwei Postkarten kaufen und fragte nach dem Preis. Wir hatten unser Bargeld schon bis auf wenige Kronen ausgegeben und das Restgeld reichte gerade für eine Karte - man schenkte ihm die zweite und wünschte uns noch einen schönen Resturlaub und gutes Wetter.
Am Kerið stand eigentlich ein Hüttchen für Eintritt, da der Krater auf einem Privatgrundstück liegt (200 Kronen, also ca. 1,40 € bzw. soviel wie einmal strullern am Thingvellir oder heiß baden in einem kleinen privaten Hotpot in Húsavík). Als wir kamen und gerade nach unserem Geld griffen, schob der Isländer im Hüttchen sein Kassierfenster zu und winkte uns lächelnd durch...


So... das war es zum Thema Island. Für dieses Mal, zumindest, denn ich möchte unbedingt wieder hin... Es ist ein wunderschönes und sehr abwechslungsreiches Land. Die ganze Reise war ein absoluter Traum, von dem Moment als beim Anflug einzelne Bergspitzen durch die Wolkendecke brachen bis zu dem letzten Stück von Island, das ich sah - den Vatnajökull in einem Meer von Wolken. Dabei hab ich übrigens Valravn mit "Kraka" gehört, was irgendwie perfekt passte.
 
Ein letzter Blick, bevor das Land der Asen, Trolle und Elfen wieder in den Wolken verschwindet...
 ...beim Abflug gegen Mitternacht hatten wir übrigens seit 11 Tagen das erste mal wieder etwas, das halbwegs nach Sonnenuntergang aussah - bedingt durch die südliche Lage des Flughafens und die starke Bewölkung. Allerdings hielt dies nicht lange vor, da wir dem Tag entgegen flogen - die inzwischen doch ziemlich vermisste Nacht kam dann erst wieder am Abend in Deutschland.

Dienstag, 22. September 2015

Island: der düstere und stürmische Süden

Aloha,
einen letzten, sehr eindrucksvollen Streckenabschnitt von Island hab ich noch für euch. Heute gibt es (passend zum aktuellen Wetterwechsel draußen) Eis, Sturm und Dunkelheit!

Im Südosten Islands liegt der riesige Gletscher Vatnajökull (jökull, ausgesprochen "jökytl" bedeutet Gletscher). Er wuchs zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert in der "kleinen Eiszeit" stark an, verlor dann aber wieder ca. 10% seiner Größe. Wie gigantisch er ist bzw. war wird vorstellbar, wenn man sich klar macht dass nur diese 10% schon 300 km³ entsprechen (also ein 1 km breiter und 1 km tiefer Graben von Bremen nach Frankfurt). Das darin gespeicherte Wasser hat den Meeresspiegel auf der Erde um einen Millimeter angehoben.

Der Vatnajökull entwässert sich über viele Gletscherzungen. Eine besonders große davon mündet in den Gletschersee Jökulsárlón (Gletscherflusslagune)... Schaut euch den See in Google Earth an, auch von oben ist er sehr schön!
Riesige weiße und türkise Eisberge treiben auf dem Gletschersee Jökulsárlón herum.
Im Hintergrund die Gletscherzunge.
Der See hat durch ein grade mal 300 m langes Flüsschen Anschluss ans offene Meer. Dadurch entstehen interessante Strömungen, durch die Salzwasser hineinkommt, was ein Zufrieren des Sees verhindert. Die Eisberge treiben schneller als man bei ihrer Größe erwarten würde hin und her.
Bevölkert wird der See von Vögeln, Robben und Touris in Amphibienfahrzeugen, die ein kleines Vermögen dafür blechen, sich ein Stück jahrtausendealtes Eis abklopfen zu lassen.

Als wir da waren gab es leider grade ein ausgesprochenes Mistwetter: Strippenregen und starke Windböen. Die Fotos wurden dementsprechend trübe und matschig. Freund demolierte dann auch noch meinen geliebten Schaf-Regenschirm aus Irland, obwohl ich ihm sagte dass der dieses Wetter nicht überlebt

Nun ja, wir hüpften schnell wieder ins Auto und machten uns auf zu einer Etappe mit reichlich wenig Zivilisation rechts und links der Straße... Bald hörte der Regen auf, aber es wurde sehr stürmisch - und schließlich stand ein Geländewagen quer auf der Straße, alle ankommenden Autos wurden auf das Gelände einer verlassenen Tankstelle gewunken. Die Straße war wegen des Sturms gesperrt. Wie lange kann keiner sagen. Umfahren geht nicht, es sei denn man fährt um die halbe Insel zurück und brettert dann durchs Hochland. Also haben wir halt gewartet, Kekse geknabbert und im Auto geschlafen (das teilweise doch beunruhigend wackelte, obwohl um uns herum noch diverse andere Fahrzeuge standen). Geschlagene 6 Stunden später ging es dann weiter - immer noch recht stürmisch, aber deutlich weniger schlimm als vorher. Etwas weiter vor uns kippte dann doch noch ein Anhänger von der Straße, aber wie isländische Menschen so sind, hielten dann einfach ein paar Autos an, Leute stiegen aus, stellten den Anhänger wieder auf, schoben ihn den Meter Böschung auf die Straße hoch und weiter gings. Zuende war die Fahrt allerdings für ein Campingmobil, das neben der Straße auf der Seite lag. Das Dach lag abgerissen einige Meter weiter. Da wird einem schon komisch zumute - wäre uns das passiert, wären wir ziemlich hinüber und auch noch komplett pleite, denn dafür schließt ja normalerweise niemand eine Extraversicherung ab (wir nahmen bei unserem Mietwagen nur die Zusatzversicherung gegen Steinschlag in der Scheibe - retrospektiv betrachtet absolut sinnvoll, denn am 3. Tag hatten wir schon einen). Manchmal entstehen grade an der Südküste auch Sandstürme, die den Lack vom Auto schrubben.

Uns entgegen kamen noch ein ziemlich stark gepanzertes Amphibienfahrzeug und eine Mischung aus Jeep und Ambulanz. Dann ging es weiter über den rund 50 km breiten, ziemlich schwarzen Skeiðarársandur. Dies ist die kahle, platte Fläche, über die der Gletscher ins Meer entwässert. Spürt man hier ein Erdbeben, so sollte man sich zügig vom Acker bzw. Sander machen - denn dann wurde vermutlich ein Vulkan unter dem Gletscher tätig.
Das kann dazu führen, dass Eis abschmilzt und im schlimmsten Fall ein riesiges Wasserreservoir frei bricht. Ein solcher Gletscherlauf setzt derart viel Wasser frei, dass z.B. 1934 allein einer der diversen Gletscherflüsse innerhalb weniger Minuten 9 km breit wurde und rund 64.000 m³ pro Sekunde führte (der Dettifoss, leistungsstärkster Wasserfall Europas, hat im Sommer etwa 600 m³/s, also knapp ein Prozent davon!). 1996 zerstörte so ein Gletscherlauf auch den dortigen Abschnitt der Rundstraße 1 völlig - ein Rest der verbogenen Stahlbrücke wurde als Denkmal aufgestellt.
Das war mal ein Stück Brücke.
Das lila Kraut ist übrigens Alaska-Lupine, die wächst in Island praktisch überall.
Zu dem kilometerweiten Schwarz des Sanders gesellte sich bald eine dichte, dunkle Wolkenschicht. Im Norden in der Ferne waren auf den Bergen leuchtender Schnee und einzelne Gletscherzungen des Vatnajökull zu erkennen, im Süden lag irgendwo das Meer. Eine ganz merkwürdige, etwas bedrückende Athmosphäre, die ich aber sehr genossen habe. Die Fotos können das kaum anschaulich machen, da diese riesige Weite und Dunkelheit ringsum einfach nicht abgebildet werden kann...
So dunkel...
...nur am Horizont Licht und helle Gletscherzungen.
Viele kleine Gletscherflüsschen durchziehen den Sander.
Die Fahrt über den Sander dauerte recht lange. Seit Tagen war dies auch das "dunkelste", das wir erlebt haben, denn die Sonne geht ja im Sommer in Island nicht unter...

Sonntag, 13. September 2015

Island: Geysire, Hot Pots und dampfende Flüsse

Heute wirds heiß!

Wie versprochen hier ein Beitrag zu isländischen Geysiren und heißen Quellen zum Baden (für heiße Schwefelquellen bitte hier klicken).
 
Ein Geysir im Vorgarten
Heiße Quellen tauchen in etlichen Regionen Islands auf. Besonders gehäuft zum Beispiel in und um die Gemeinde Hveragerði, die ein einziges Hochtemperaturgebiet zu sein scheint. Der Name, im Isländischen Hveragerðisbær, bedeutet laut meiner kurzen Recherche übersetzt irgendwas in die Richtung "Heiße-Quellen-passieren-Stadt", was das ganze ziemlich trifft: in Vorgärten sprudeln kleine Geysire, und wer Pech hat, dem bricht von heut auf morgen unter dem Wohnzimmer einer aus (womöglich noch mit kochendem Schwefelschlamm).
 
Nahe Hveragerði - hinter jedem Hubbel kommt eine Wolke hoch...
Ein größerer Geysir ist der an der Straße 35 auf dem Golden Circle befindliche "Geysir", von welchem alle anderen Geysire ihren Namen erhalten haben. Er ist nur unregelmäßig aktiv, aber wird bereits seit dem 13. Jahrhundert in Quellen erwähnt. Sein Höhenrekord liegt bei 170 m!
Deutlich niedriger, aber immer noch einschüchternd (vor allem wenn man nur wenige Meter daneben steht) ist der nahegelegene Strokkur, der zwischen 25 und 35 Metern erreicht. Er bricht regelmäßig alle paar Minuten aus und ist daher ein sehr beliebtes Touriziel - manchmal kommt er alle 2 Minuten hoch, dann irgendwann allerdings nur noch als kleineres "Blobb", was dann für viele Lacher sorgt (vor allem da sich alle darauf vorbereitet haben, gleich ein super krasses Foto zu schießen). Dann sammelt er sich erstmal eine Weile und dann kommt wieder eine höhere Säule. Rechts seht ihr einen etwas kleineren Ausbruch, die schwarzen Dinger am Fuße des Geysirs sind Menschen.

Besonders schön ist die dicke Wasserblase, die vor dem Ausbruch entsteht und dann zerplatzt. Danach liegt der Wasserspiegel einen Meter tiefer und es läuft erstmal wieder Wasser nach...
Hinten der Strokkur, vorne die Quelle Blesi.

Phasen des Ausbruchs.
Um zu verdeutlichen wie schnell das ganze geht, hier ein Video vom Stokkur:
 
Heißes Wasser für alle!
Erdwärme und heiße Quellen können wunderbar genutzt werden. In der Region um Hveragerði zum Beispiel gibt es sehr viele Treibhäuser für Orangen und andere Südfrüchte, die mit der Wärme das Bodens beheizt werden.
 
Außerdem wird es natürlich zur Warmwasserversorgung genutzt: in fast jeder Unterkunft in der wir waren gab es wirklich extrem (!) heißes Wasser aus der Leitung. Manchmal ist das allerdings etwas eklig, weil je nach Region eben auch Schwefel darin ist und man dann nach dem Duschen nach faulen Eiern riecht... Einzelne Gehöfte haben mitunter recht abenteuerliche Wasserzuleitungen. Irgendwo in einem Tümpel heißen Wassers steht eine windschiefe Pumpe, von der dann teilweise über Kilometer ein rostiges, undichtes Rohr durch die Wildnis führt...

Hier wird heißes Wasser abgezapft.

Im Hintergrund die "Blue Lagoon", vorne ein nicht zugänglicher Bereich.
Überteuerte Tourithermen...
Am wirtschaftlichsten lässt sich heißes Wasser nutzen, indem man eine Umkleide dazu baut, einen Klischeenamen erfindet, eine ausufernde Werbekampagne startet und derart exorbitante Einttrittspreise verlangt, dass Einheimische durch Touris verdrängt werden. So wie die "Blaue Lagune" mit 50 € Eintritt, weil das Wasser so schön blau ist. Trotzdem ist sie heillos überfüllt - Freund wollte hinein, sah dann die im Wasser treibenden Massen und drehte wieder um. Die halb so teure, etwas kleinere Alternative mit ähnlichem Wasser und weniger Menschen ist übrigens das Mývatn Nature Bath, das kann man sich mal geben.
...oder doch lieber "Icelandic style"?
Mit etwas Glück oder ausgiebiger Internetrecherche findet man manchmal abgelegene Hotpots, also kleinere heiße Badequellen die häufig, aber nicht immer ausgebaut sind. Die sind auch fast immer kostenlos, nur manchmal, wenn sie privat unterhalten werden, gibt es eine Spendendose. Rechts seht ihr so einen Hotpot, für den wir zwei Kilometer in ein Tal hineinwanderten und einen ziemlich heftigen Bachlauf  überqueren mussten. Nicht ganz so piekfein, dafür ist man unter sich und in der Natur. Vor der kalten Luft zwischen Umkleide und Wasser wird man übrigens auch in der Blauen Lagune nicht bewahrt...

Kostenlose Alternative.
Auch in den Flüssen und Kolken, die aus den Heißen Quellen entstehen, wird manchmal gebadet. Als Tourist sollte man das nicht auf eigene Faust machen, da in Island die Natur sehr streng geschützt ist - wer an der falschen Stelle übers Gras läuft, riskiert hohe Geldstrafen (und den berechtigten Zorn der Efen und Einheimischen). An einigen Orten wie Reykjadalur (nahe dem oben erwähnten Hveragerði) gibt es aber genehmigte Stellen, an denen dann auch die Einheimischen im Wasser hocken.
Heiße Badewanne in der Natur...
Es klingt erstmal recht unspektakulär, wenn irgendwo steht "heiße Quelle". Ok, es dampft ein bisschen... Aber wenn man bei 11 Grad und Nieselregen die Hand in einen 40°+ heißen Fluss hält, wird es plötzlich doch sehr faszinierend. In Reykjadalur konnte man an vielen Stellen kalte Hände wärmen, indem man sie einfach auf den Boden drückte, teilweise direkt auf dem Wanderweg.