Dienstag, 11. November 2014

Irland: Dolmen und wie Freund ein Fan von ihnen wurde

Aloha,

hier der dritte und letzte Teil zu "Steinen in Irland".

Vor unserer Reise habe ich im Internet verschiedene Dolmen samt Koordinaten herausgesucht, damit man sie gleich ins Navi eingeben und die Fahrt entsprechend planen konnte. Anfangs fand Freund es etwas blöd, dass wir "so viele Steine angucken" und angeblich sonst so wenig Abwechslung im Programm sei. Daraufhin wurden einige weiter von der Route entfernt liegende Dolmen (und stehende Steine, und ein Steinkreis) wieder von der Liste gestrichen.

Dolmen am Lough Gur
Der erste Dolmen den wir sahen war dann auch etwas... naja, unansehnlich will ich jetzt mal nicht sagen, aber zumindest handelte es sich nicht unbedingt um ein Prachtexemplar. In der Nähe des Sees Lough Gur stand dieser Dolmen, in dem im 19. Jahrhundert wohl eine alte Frau lebte. Freund war nicht überzeugt und hibbelte dem nächsten Dolmen deutlich weniger intensiv entgegen als ich.
Zerfallener Lough Gur Dolmen.
So siehts heute aus wenn man hineinschaut.
Brownshill Dolmen
Der zweite Dolmen auf der Liste war der Brownshill Dolmen nahe Carlow. Schon von der Straße aus war in einiger Entfernung ein Koloss auf einer Wiese mit niedlichen kleinen weißen Blümchen zu sehen. Die Sonne war kurz vor dem Untergehen und warf ein goldenes, warmes Licht auf den Dolmen.
 
Brownshill Dolmen am Abend.
Er wurde vermutlich zwischen 3300 und 2900 v.u.Z. gebaut und besitzt den schwersten Deckstein von ganz Europa: 4,7 x 6,1 m Fläche, eine Dicke von bis zu 2 m und erschlagende 100 Tonnen Gewicht. Das überzeugte dann auch Freund! Plötzlich waren Dolmen cool.
Die Form war etwas außergewöhnlich: Die Deckplatte liegt nur an zwei Portalsteinen vorn und auf einem sehr niedrigen Stein an der Rückseite auf. Daher sieht es eher aus wie ein Schrägdach. Zwischen den Portalsteinen steht noch ein Türstein.

Zum Bau gibt es mehrere Theorien. Möglicherweise wurden unter den bereits schief liegenden Deckstein nacheinander Löcher gegraben, in welche die drei Tragsteine gesteckt wurden, danach wurde das Erdreich unter dem Stein entfernt.
Freund als Größenvergleich.
Eingangsbereich mit Portalsteinen und
mittig dem Türstein.
Vielleicht wurde der Deckstein auch über eine Erdrampe auf die aufgestellten Tragsteine geschoben - so hätte ich es wohl gemacht (als steinzeitliche Projektleitung natürlich, nicht allein mit meinem Kampfgewicht von knapp 0,5 Promille des Steingewichtes!). Eine weitere, etwas kompliziertere Möglichkeit wäre das Hochhebeln des Steins und Auffüllen des entstehenden Hohlraums, bis die drei Tragsteine eingesetzt werden können.

Wie auch bei Newgrange hatten die Erbauenden bei den meisten Dolmen noch keine metallischen Werkzeuge.
Von einem Erd- oder Steinhügel, wie er über viele Dolmen gelegt wurde, konnten beim Brownshill Dolmen keine Spuren gefunden werden. Ein etwas links von den Portalsteinen stehender großer Stein könnte aber darauf hindeuten, dass der Dolmen möglicherweise noch eine Art Vorbau wie einen kleinen Steinkreis gehabt hatte.

Besonders spannend fand ich, dass an diesem Dolmen noch keine Ausgrabungen stattfanden. Sogesehen weiß man noch nicht einmal wirklich, ob er denn überhaupt ein Grab ist - dieser Schluss wurde nur aufgrund von Ausgrabungen an anderen Dolmen gezogen.


Haroldstown Dolmen
Die Sonne ging langsam unter und wir kamen in Bedrängnis - ziemlich genau Punkt 19 Uhr wurde es zu dunkel zum fotografieren. Wenige Minuten vorher schafften wir es dank genauer GPS-Koordinaten, den Haroldstown Dolmen zu erreichen. Leider lag er nahe einer Kurve der Landstraße, die von beiden Seiten mit hohen Steinmauern verbaut war. Ein paar Meter weiter ließ es sich an der Einfahrt einer Weide ganz gut parken und auf die Wiese gelangen und wir konnten noch ganz fix im Halbdustern den Dolmen betrachten. Hier die paar Fotos, die ich irgendwie mit der Belichtung noch gut hinbekommen habe:
Haroldstown Dolmen im letzten Licht.
Hier der Eingangsbereich.
Der Haroldstown Dolmen gilt als einer der schönsten Irlands. Zwei Decksteine liegen auf ehemals 10 Steinen auf, von denen einige inzwischen umgestürzt sind. Im 19. Jahrhundert lebte sogar eine ganze Familie darin, nun nutzt wohl das Vieh den Dolmen als Unterschlupf.

"Stonehenge für Arme", wie es ein Kumpel bezeichnete... Pffft! Der ist doch nur neidisch!

Freund wurde dann noch ein echter Fan von Dolmen. Schließlich wollte er sogar einen eigenen Dolmen als Grabmal haben:

"Warum baut sich eigentlich heute keiner mehr so ein Dolmengrab? Ich find das cool. Ich will so eins."
"Das geht aber net aufm katholischen Friedhof. Und ich glaub in Friedwäldern erlauben die das auch nicht."
"Dann bauen wir das später bei uns in den Garten! Oder ich kauf ein Feld."
"Man kann aber nicht einfach die Urne oder Asche irgendwo verscharren. Das ist ganz mies geregelt in Deutschland..."
"Ach menno..."

Das ganze beschäftigte ihn offenbar weiter, denn einige Tage & Steine später (übrigens immer wieder mit der Nachfrage "Wann kommen wir wieder an einem Dolmen vorbei?") hatte er eine Notlösung parat:

"Ich weiß jetzt wie wir das machen. Unter den Dolmen kommt einfach eine Hinweistafel."
"Dass du wegen der bescheuerten Gesetzeslage nicht unter deinem Dolmen bestattet werden durftest?"
"Genau."
"Dann kannst du da auch Koordinaten zum eigentlichen Grab angeben. Dann müssen wir nur noch hoffen, dass die Standsicherheitsnachweise für die Deckplatte alle erbracht werden können. Da braucht man bestimmt ne Baugenehmigung."
"Das musst du machen, du bist Bauingenieur... Aber wie kriegen wir die Steine so da hin? Muss ja nicht so groß sein."
"Da mieten wir nen Gabelstapler. Ich wollte sowieso einen Steinkreis im Garten haben, das kann man dann gleich zusammen bauen."
"Hat Amazon eigentlich Megalithen?"

Bei der Info, dass auch in der Lüneburger Heide in Deutschland ein Dolmen steht, wurde Freund ziemlich hibbelig. Anscheinend müssen wir dort mal einen Kurztrip hin machen

...und selbst jetzt, einen Monat nach der Reise kommt er immer wieder darauf zurück, dass er mal einen Dolmen haben will, und inzwischen auch einen Steinkreis. Bin ich ja mal gespannt, wann ich anfangen muss Pläne für ein Hügelgrab mit Wintersonnenwendausrichtung zu zeichnen...

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Unser gestriges Erdbeben und was das mit Loki zu tun hat

Aloha,

nachdem bei uns gestern wieder das Haus gewackelt hat, unterbreche ich die Reihe mit den irischen Steinen mal kurz für eine Sage zur Herkunft von Erdbeben.

Um die ganze Geschichte zu erzählen, bräuchte man wohl ziemlich lange, daher fasse ich es mal ein wenig zusammen: Loki, der einstmals ein Freund der Asen war, wurde von denen gefangen genommen. Ob und wie gerechtfertigt das jetzt war, ist unter Asatru ein bisschen umstritten. Meine Meinung dazu ist: Loki hat hauptsächlich Dinge getan, die entweder sein mussten, oder um die er von den anderen Asen gebeten wurde. Die Schuld wurde dabei aber auf ihn abgewälzt, so dass er irgendwann als zwielichtig bis böse betrachtet wurde. 

Die Asen wenden sich schließlich endgültig gegen ihn, als der Gott Baldur stirbt, weil.. naja, Loki irgendwie daran beteiligt ist. Der strahlende, von allen geliebte (dezent überhebliche *räusper*) Baldur ist unverwundbar, da seine Mutter Frigg jedes einzelne Wesen auf der Welt beschwatzte und ihnen den Schwur abnahm, Baldur niemals zu verletzen. Nur die Mistel hat sie vergessen - und ist offenbar so dusselig, das beim Bemerken des Fehlers nicht fix nachzuholen, sondern weiterzuerzählen. Während Baldur also gerade mal wieder im Mittelpunkt steht und von den anderen Asen zum Spaß mit allem möglichen, effektlos von ihm abprallenden Zeug beworfen wird, sitzt sein blinder Bruder Hödur wie immer unbeachtet in der Nähe. Loki geht zu ihm und reicht ihm einen Pfeil aus einem Mistelzweig, damit er am Spaß teilhaben kann. Hödur schießt und Baldur fällt tot um. Dumm gelaufen, aber Hödur wird daraufhin getötet - obwohl er keine Ahnung hatte, was er tut. Schließlich schiebt man die Schuld auf Loki, wobei ich finde dass ein normaler Mensch, geschweige denn ein Gott ja nicht einfach stirbt weil man einen Mistelzweig auf ihn schießt. Sogesehen sehe ich die Intention bei Loki nur darin, Baldur ein bisschen weh zu tun um den armen Hödur damit etwas aufzuheitern und Baldurs Hochmut einen Dämpfer zu verpassen. Anyway, allein schon Hödur dafür zu töten war ungerechtfertigt von den Asen.

Das Fass zum Überlaufen bringt dann schließlich die Tatsache, dass Loki bei einem Gastmahl erscheint, zu dem er nicht eingeladen wurde (bzw. zu dem eigentlich niemand eingeladen wurde, weil sich die Asen mehr oder weniger selbst bei dem armen Riesen Ägir einnisteten). Dabei sagt Loki den anderen seine Meinung, und wirft eigentlich nur wohlbekannte Tatsachen auf den Tisch... die so aber eben niemand hören will. Aufgrund der vorangegangenen Sache mit Baldur eskaliert die Situation schließlich, und Loki flieht.

Schließlich wird Loki gefangen und einer seiner beiden Söhne in einen Wolf verwandelt, welcher in Panik den anderen Sohn tötet. Was auch immer die beiden jetzt wieder verbrochen haben... Mit den Innereien seines toten Sohns wird Loki in einer Höhle an einen Felsen gebunden. Die Göttin Skadi ist ziemlich sauer ob der Schmähungen während des Gastmahls und aufgrund der Tatsache, dass Loki ihren Vater tötete (lange Geschichte, in der unter anderem ein Tauziehen zwischen Lokis Skrotum und einer Ziege vorkommt...). Daher befestigt sie noch eine Schlange über Loki, die beständig ätzendes Gift auf ihn herabtröpfeln lässt. Lokis Frau Sigyn allerdings bleibt bei ihm, und fängt das Gift mit einer Schale auf. Allerdings muss sie manchmal die Schale ausleeren gehen. Wenn in solch einem Moment das ätzende Gift auf Loki tropft, zuckt und windet er sich vor Schmerz. Dies erschüttert den Felsen, was (um wieder aufs ursprüngliche Thema zu kommen) in Midgard dann als Erdbeben wahrgenommen wird. Da die Darm-Fesseln magisch sind, wird sich Loki erst zu Ragnarök losreißen können.

Da ich ja aus Berlin komme, habe ich lange Zeit gar keine Erdbeben erlebt. Auch in den ersten 7 Jahren in Hessen habe ich nie eines bemerkt - dieses Jahr im März ging es aber plötzlich los, und alle paar Wochen bebt hier die Erde. Anfangs war es noch ein einzelner Ruck mit einem Knall, wenn man gerade irgendwo lang lief war man eher irritiert, weil man mit dem Schritt etwas woanders ankam als geplant. Inzwischen gibt es ein richtiges Wackeln vom Gebäude, verbunden mit lautem Grummeln. Unser gestriges Erdbeben war meinem Empfinden nach das stärkste, es wurde bislang auf 3,7 geschätzt. Die Schiebetüren vom Schrank haben gescheppert und gewackelt, die Deckenlampe schwang herum, das Haus bewegte sich hin und her. Insgesamt hat es auch um die 10 Sekunden gedauert.

Immer wenns wieder wackelt denke ich an Loki - der arme. Das Beben ist einerseits faszinierend, andererseits auch ein bisschen beängstigend. Zwar ist das hier in der Nähe vom Oberrheingraben normal und eigentlich auch nur in geringer Stärke zu erwarten. Andererseits ist es einfach ein kleines bisschen Ausnahmezustand wenn das Haus wackelt. Man kann in dem Moment auch nicht einschätzen, wie lange es noch geht oder ob es noch stärker werden könnte, gestern war ich dann schon etwas irritiert, dass es nicht - wie sonst - nach 2 oder 3 Sekunden wieder aufhörte.


Habt ihr bei euch auch manchmal Erdbeben, oder kennt ihr andere Legenden zur Entstehung?

In Japan sagt man, dass es einen Riesenwels gibt, der mithilfe eines Steins und dem Schwert des Gottes Kashima am Meeresgrund in einem ewig dauernden Kampf festgehalten wird. Sein Zappeln erzeugt die Erdbeben, welche in Japan zum Alltag gehören.

Dienstag, 28. Oktober 2014

Irland: Mysterium Newgrange

Aloha!

In der Reihe "Irische Steine" stelle ich euch heute das "Hügelgrab" Newgrange vor. Das erste mal hab ich davon vor etwa 14 Jahren gehört und wollte seitdem unbedingt mal hin. Es ist ein sehr beliebtes Touriziel, so dass wir die Erfahrung nicht ganz für uns allein hatten, aber da wir früh morgens kamen wo es noch nicht sehr voll ist, war es trotzdem noch ganz angenehm.

Normalerweise finde ich es furchtbar langweilig, mir die Baugeschichte etc. von irgendwas durchzulesen (geschweige denn in einem Blog niederzutippen), aber im Falle von Newgrange ist es unglaublich beeindruckend. Die Menschen, die es vor über 5.000 Jahren erbaut haben, kannten weder das Rad noch Werkzeuge aus Metall. Wie und was sie da aber geschaffen haben zeigt, dass sie bei weitem nicht so primitiv gewesen sein können, wie wir es uns vorstellen, und außerdem ziemlich gute Kenntnisse besaßen über Architektur, Astronomie und die Region in der sie lebten.

Newgrange von außen, die linke Hügelseite im verfallenen Zustand,
rechts die interpretative Rekonstruktion der ehemals umgebenden Mauer.
Newgrange liegt in einem Flusstal namens Brú na Bóinne, was wörtlich übersetzt "Palast der weißen Kuh" heißt, generell aber als "Wohnstatt der Göttin Bóinn" gedeutet wird. In diesem Tal siedeln seit über 10.000 Jahren Menschen! Es gibt es zahlreiche erhaltene megalitische Bauten und Kultstätten, die zwischen 5.500 und 3.500 Jahre alt sind. Newgrange wurde vor etwa 5.200 Jahren errichtet (damit ist es noch ein ganzes Stück älter als die Megalithen von Stonehenge und die Pyramiden von Gizeh). Es ist nicht nur das größte, sondern auch eines der ältesten Bauwerke im Tal. Knowth und Dowth sind zwei weitere, ähnlich angelegte Hügelgräberanlagen in der Nähe, die etwas früher entstanden. Insgesamt wurden bislang 40 kleinere und größere Grabhügel sowie zusätzliche Steinkreise, Reste von Holzpfostenkreisen, Opferseen und andere Kultstätten im Tal gefunden.

Bau von Newgrange
Eingangsbereich heute. Rechts vom Eingang steht die "Tür".
Die Megalithstruktur unter dem Erdhügel besteht aus verschiedenen Steinen. Um die Basis des Hügels liegt ein Ring aus 97 sehr großen Grauwacke-Steinen. Die Menschen, die diese herangeschafft haben, hatten als Hilfsmittel nur Holz, Knochen, Seile und weitere Steine zur Verfügung. Vermutlich wurden die riesigen Steine aus einer Entfernung von 3 bis 5 km beschafft und mit Hilfe von Seilen auf liegenden Baumstämmen gezogen. Funde legen nahe, dass die Löcher, in die diese gestellt wurden, mit Schaufeln aus Schulterblattknochen gegraben wurden.
Die Wände der Grabkammer, ihr von innen 6 m hohes Kraggewölbe sowie Seiten und Decke des 22 m langen Ganges dorthin bestehen aus 450 weiteren solcher Grauwackesteine, wenn auch meist etwas kleineren Stücken. Das Deckengewölbe ist bis heute dicht!

Einige dieser größeren Steine, in und außerhalb der Kammer, sind mit Spiralen, Wellen, Rauten und Zickzackmustern verziert. Über die Bedeutung können nur Theorien angestellt werden. Vielleicht stellen die Spiralen die Sonne dar, der in Newgrange zur Wintersonnenwende eine besondere Bedeutung zukommt (siehe weiter unten). Von den Rauten wird vermutet, dass sie Felder darstellen, während die Wellen den Fluss Boyne symbolisieren könnten. Dies interpretiert man als die drei wichtigsten "Götter" der damaligen Siedler: Sonne, Land und Wasser. Es kann aber natürlich auch etwas vollkommen anderes damit gemeint sein.
 
Beeindruckend ist jedenfalls, wie mühevoll diese Gravierungen angefertigt wurden, da man als brauchbares Werkzeug nur weitere Steine zur Verfügung hatte.



Verzierte Steine an der Basis des Grabhügels.
Um die größeren Steine wurden zwei verschiedene Arten kleinerer Steine gefunden: grauer Granit und weißer Quarzit, die aus den Bergen rund 50 km im Norden bzw. Süden von Newgrange stammen. Die Menschen scheinen damals wohl einen großen Radius der Landschaft um das Tal herum erkundet zu haben, um diese verschiedenen Steinsorten zu entdecken und wiederzufinden. Die heutige Rekonstruktion der umgebenden Wand ist eine Interpretation, wie es früher ausgesehen haben könnte. Wie Forschende so sind haben alle eine eigene Meinung und an dieser Interpretation wird wild herumkritisiert, unter anderem da die Wand als zu steil angesehen wird und ohne den heutigen Einsatz von Stahlbeton wohl nicht möglich sei.
Nun gut, ich hab ähnlich steile Mauern im eisenzeitlichen Staigue Fort gesehen, die problemlos noch immer halten, aber wie dem auch sei: einfach merken, dass dies nur eine von vielen Theorien ist.

Der Rest des Hügels wurde dann mit etwas weniger Aufwand fertiggestellt, indem Steine aus dem "nur" rund 1 km entfernten Flussbett des Boyne aufgetürmt wurden. In der Nähe wurden Reste von Ansiedlungen gefunden, so dass davon ausgegangen werden kann, dass es damals ungefähr so wie in diesem Diorama aus dem Infozentrum aussah:

So könnte die Siedlung ausgesehen haben, mit Newgrange im Hintergrund auf dem Hügel.
Funktion und Nutzung
Wozu Newgrange genutzt wurde, kann heute nur noch vermutet werden. Gemeinhin wird es als Hügelgrab bezeichnet, da man im Inneren einige verbrannte Knochenreste von 5 Personen fand. Aber vermutlich war es mehr als nur ein Grab, worauf auch Befunde hindeuten, dass die Stätte über mehrere Hundert Jahre genutzt worden sein muss. Dass das nur für das Begräbnis von einer Hand voll Leuten geschehen ist, erscheint eher unwahrscheinlich.

Newgrange ist hauptsächlich dafür bekannt, dass es eine Öffnung oberhalb der Tür hat, durch welches am Morgen der Wintersonnenwende (und auch an einigen Tagen davor und danach) die Sonne hereinfällt. Da der Gang etwas bergauf geht, verläuft der Lichtstrahl auf dem Boden entlang. Ursprünglich erreichte er die hintere Platte in der Kammer, inzwischen (aufgrund des leichten Pendelns der Erdachse) endet er etwa einen Meter davor. Man vermutet, dass damit nicht nur eine Art Kalender erstellt wurde, sondern dass diese Wiedergeburt der Sonne auch eine wichtige kultische Bedeutung hatte. Möglicherweise wurden die Knochen der Toten in der Kammer unter der Erde bis zur Wintersonnenwende aufbewahrt, damit ihnen das Licht der wiederkehrenden Sonne neues Leben gibt.

Verfall und Wiederentdeckung
Die Fundstücke aus dem Inneren von Newgrange deuten darauf hin, dass die Kammer ab spätestens 2000 v.u.Z. nicht mehr genutzt wurde. Man weiß nicht, was die Menschen dazu gebracht hat, die (letzten?) Knochen darin zurückzulassen, die Kammer zu verschließen und nicht mehr zu öffnen. In der Umgebung wurden jedoch weitere Bauwerke errichtet, beispielsweise ein Kreis aus Holzpfählen vor dem Eingang und, nachdem diese bereits wieder verschwunden waren, ein Steinkreis um Newgrange herum, welcher vermutlich eine astronomische Funktion hatte.

Mit der Zeit erodierte der Hügel auf Newgrange: Die Wände aus Granit und Quarz gaben durch Druck und Wettereinflüsse nach außen nach, die Füllsteine und das Erdreich rutschten nach. Auch der Eingang wurde irgendwann verschüttet. Irgendwann sah Newgrange aus wie ein natürlicher Hügel. Nur im Inneren waren die Kammer und der Gang weiterhin konserviert.

Newgrange wurde 1699 eher durch Zufall wiederentdeckt: zum Bau einer nahegelegenen Straße wurden einige Steine benötigt, die zufällig von diesem Hügel abtragen wurden. Dabei stieß man auf den Eingangsbereich. Ein paar Akademiker kamen und sahen sich die Kammer an, danach passierte etwas, was man sich heute kaum vorstellen kann: 200 Jahre lang bliebt die Kammer unbeaufsichtigt, offen und für einen anscheinend nicht kleinen Ansturm von Touris zugänglich, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts endlich unter Denkmalschutz gestellt und entsprechend überwacht wurde. Daher existieren heute leider innerhalb der Kammer viele in den Stein gritzte Graffiti. Möglicherweise wurden auch Gegenstände aus der Kammer entwendet. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden erstmalig umfangreiche Untersuchungen und Ausgrabungen durchgeführt, bei denen auch die astronomische Funktion erkannt und das Fenster über dem Eingang wiederentdeckt wurden.

Unser Besuch
Vom Infozentrum aus wurden wir mit einem Shuttlebus voller spanischer Touris zu Newgrange gefahren. Während der Fahrt konnte man ab und zu schon kleinere Grabhügel entdecken, Newgrange thronte schließlich ganz oben und war schon sehr eindrucksvoll (ich hab es bereits von weitem auf der Fahrt zum Infozentrum entdeckt).

Während der Führung darf man die Kammer in kleinen Gruppen zu etwa 10 Leuten betreten. Der 22m lange Gang ist schon ein ziemliches Loch, durch das man da kriechen muss - geduckt und schräg, zumal man gebeten wird, den Stein möglichst nicht zu berühren. In der Kammer kann man dann bequem aufrecht stehen und es ist auch recht geräumig (zumindest bis sich die anderen 9 Personen plus Guide durch den Gang gezwängt haben). Hat ein bisschen was von einer Gebährmutter, vielleicht war das ja eine gewollte Symbolik. Die Luft war angenehm, etwas stickig vielleicht, aber ein paar Grad wärmer als draußen. Ich fühlte mich jedenfalls sehr geborgen. In den drei Nischen der Kammer standen riesige Steinschalen, in denen damals die Überreste einiger Knochen und weitere Dinge wie Schmuckperlen entdeckt wurden. Die Lichtverhältnisse während der Wintersonnenwende wurden mithilfe von einem Scheinwerfer vor dem Fenster über der Eingangstür dargestellt. Da man in der Kammer leider nicht fotografieren durfte, habe ich an gerade dieser ganz besonderen Stelle keine Bilder für euch - aber bemüht ruhig mal die Google Suche, es gibt da einige sehr schöne offizielle Fotos! Ich habe mir nach dem Besuch zwei Postkarten als Erinnerung gekauft.
Danach krochen alle den Gang wieder hinaus, was ähnlich mühselig wie der Weg hinein war, aber hier hatte man zumindest den Ausgang vor Augen. Jede*r zweite haute sich dann noch trotz mehrmaliger Warnung der Tourleiterin den Kopf am Ausgang an, ich zum Glück net (aber ich hab ja auch eine einigermaßen steinzeitkonforme Körpergröße). Sehr schade, dass das so schnell vorbei ging - ich wäre gern viel länger drin geblieben. So konnten wir aber zumindest nochmal den ganzen Komplex umrunden, die bemeißelten Steine anschauen, über die Überreste des Steinkreises drum herum spekulieren und die Aussicht über das Tal genießen.
Rundweg um den Grabhügel, hier sieht man nochmal den äußeren Steinring.
Wir fragten uns, ob unter den vielen unauffälligen Grashügeln von Irland vielleicht noch irgendwo ein weiteres Newgrange schlummert...

Freitag, 24. Oktober 2014

Irland: Der Grange Stone Circle

Aloha!

Auf ein paar Teile unserer Irlandreise wollte ich noch etwas näher eingehen. Freund und ich sind ja wild durchs Land gefahren - erst hatte er sich noch beschwert, dass ich ja nur Steine als Ziele herausgesucht habe (stehende Steine, gestapelte Steine, Steine im Kreis, Steine mit Grabhügel drauf, Steine aus denen ein Ringfort oder ein Castle gebaut wurde...). Nach dem Steinkreis und dem zweiten Dolmen wurde er dann plötzlich selbst ein riesen Fan von Steinen...

Die für mich beeindruckendsten "Steine" stelle ich jetzt nach und nach vor, den Anfang macht der Grange Stone Circle nahe dem Lough Gur. Es ist mit 48 m Durchmesser der größte Steinkreis Irlands und (nach Stonehenge) der zweitgrößte Europas.

Stein an Stein... Passt nur halb aufs Bild.
Gebaut wurde er vor etwa 3100 Jahren aus 113 Steinen, die - für mich etwas unerwartet - dicht an dicht stehen. Hinter den Steinen umgibt noch ein mehrere Meter breiter Wall den Steinkreis. Der Eingang zum Kreis liegt im Osten und ist von einigen Steinen flankiert. Zwei große Steine dienen als "Tor". Der nördliche davon ist inzwischen gespalten. Zu Lughnasadh, dem irischen Erntefest Anfang August, scheinen die ersten morgendlichen Strahlen der Sonne genau entlang dieses Pfades in den Kreis hinein.
 
Eingang zum Kreis.
Der gespaltene Stein nördlich des Eingangs.
Bei Ausgrabungen innerhalb des Steinkreises wurden diverse Tonscherben, Bronzegegenstände, und Knochen gefunden sowie ein Pfostenloch direkt im Mittelpunkt, in dem vermutlich eine Markierung des Kreiszentrums steckte.
Freund knuddelt den Rannach Cruim Duibh, links daneben das grain child.
Der größte der Steine, Rannach Cruim Duibh (links auf dem Bild) liegt etwas nördlich des Eingangs und ist angeblich 2,8 m hoch (ein Größenvergleich mit Freund kommt hin). Der Kreis wurde so angelegt, dass die aufgehende Sonne am Tag der Sommersonnenwende so aussieht, als liege sie oben auf diesem Stein. Aufgrund des Namens des Steins und der Verknüpfung mit der Sonne vermutet man, dass der Steinkreis kultische Bedeutung bei der Verehrung des Fruchtbarkeits-/Korngottes Crom Cruach bzw. der daraus entstandenen Sagengestalt Cruim Duibh hatte. Passt ja auch wieder zu Lughnasadh.

Laut einer Fremdenverkehrsperson im nahegelegenen  Visitor Center des Lough Gur kann man die positive Energie spüren, wenn man Hände und Kopf gegen den Stein legt. Bei uns fing es leider ziemlich genau in dem Moment an zu regnen...
Direkt links davon stehen einige kleinere, gestapelte Steine. Die stechen schon etwas heraus im Kreis, der ansonsten nur aus einzelnen Brocken besteht. Man sagt, dies repräsentiere das "grain child", also möglicherweise gestapelte Brote.
Inzwischen sind einige Bäume zwischen den Steinen und um diese herum geschlungen gewachsen. An einigen davon findet man Hinterlassenschaften von Besuchenden.

Das Innere des Kreises wird vom Bauern, dem das Grundstück gehört, offenbar freigehalten, denn da wächst nur Gras. Diverse Kuhfladen legen allerdings den Schluss nahe, dass der Kreis auch ganz profan als Weidefläche genutzt wird. Für den Erhalt der Anlage und der Zäune wurde eine freiwillige Spendenbox aufgestellt.
An einem Baum im Westen des Kreises.
Kleine Gaben, darunter auch ein Brezelanhänger und ein Häkelhaken...
Auf dem Stein neben dem "grain child" haben Menschen Münzen aus aller Welt, Schmuck, kleine Figuren und andere persönliche Dinge abgelegt. Merkwürdigerweise waren auch viele christliche Symboliken darunter... Ich habe auch etwas zurückgelassen, Freund hat an der Spendenbox für uns beide einen Obolus abgegeben. Und man staune: nach den regnerischen ersten Tagen in Irland und dem Platzregen, der losging kurz nachdem wir zum Grange Stone Circle kamen, hatten wir plötzlich verdächtig schönes Bombenwetter - für den Rest des Urlaubs!
Einzig ein Schauer kam noch, aber da saßen wir ohnehin im Auto und bekamen einen wunderschönen Regenbogen. Danke, lieber Crom Cruach!

Dienstag, 21. Oktober 2014

Irland: Generelle Eindrücke

Aloha!
Moin moin,
ich bin aus dem Urlaub zurück... Das Positive daran ist immerhin, dass ich endlich mit Fotos prollen kann andere erfreuen darf, und darum hab ich hier nun ein paar Eindrücke vom schönen Irland für euch:
Typische westirische Landschaft: ein einzelner knorriger Baum, Weide, Heidekraut, Steine.
Wir haben einen Rundtrip gemacht: von Dublin nach Galway, dann die Westküste hinunter, nach Killkenny und, nach einer Unzahl von Dolmen, stehenden Steinen, Steinkreisen, Castle-Überresten und kaputten Abbeys schließlich wieder nach Dublin zurück.
Dublin ansich hat es uns nicht so angetan... Das nächtliche Temple Bar hatte was. Ansonsten sind wir aber wohl einfach eher Naturliebhaber...

Größere Sehenswürdigkeiten sind meist recht teuer (z.B. Cliffs of Moher mit 6 €, Newgrange mit 6 bis 11 €), lohnen aber definitiv. Dabei hat man sich auch viel Mühe für die Gestaltung von z.B. einem Infozentrum gegeben, oder es gibt interessante Führungen dazu. Eine Einzelführung für Freund & mich gab es für 9 € in einer wunderschönen Tropfsteinhöhle bei Mitchelstown. Zu arm waren wir leider für den 15 € Eintritt ins Bunratty Castle... Da hörts dann doch mal auf.

Viele Sachen wie der größte Steinkreis Irlands oder das besterhaltendste Eisenzeit-Ringfort (Staigue Fort) stehen auf Privatbesitz, sind aber zugänglich und es hängt eine Spendenbox für den Erhalt dran, so dass man nach eigenem Ermessen und Vermögen bezahlen kann.
Viele Touris: Cliffs of Moher, 6 €.
Ziemlich leer: der (hier halbe) Grange Stone Circle,
der größte von Irland, mit Spendenbox.
Schließlich gibt es noch Sehenswürdigkeiten, die meiner Meinung nach für den verlangten Preis nicht wirklich sehenswert waren (z.B. so ein wirklich winziger Ringfortrest nahe den Dingle Beehive Häusern, was 3 € kostete und das man sich einfach hätte sparen können, vor allem wenn man noch Staigue Fort am Ring of Kerry sieht). Und es gibt tatsächlich noch komplett kostenlose Sachen wie den Rock of Dunamase (zugegebenermaßen mit nur einer Infotafel, aber dennoch sehr beeindruckend).
Brownshill Dolmen, kostenlos.

Staigue Fort, Spendenbox.
Rock of Dunamase: kostenlos.

Eigentlich immer kostenlos: Wandern.
Dabei trifft man oft nette Schafe.
Außen ein dicker Klopps um den die Krähen
kreisen: Rock of Cashel, 6 €.

Innen ist der Rock of Cashel erstaunlich grazil.
Irische Menschen sind unglaublich nett und schwatzwütig. Von Killkenny hab ich leider gar nichts gesehen, weil wir dort nur eine Übernachtung hatten und den ganzen Abend mit ein paar wildfremden Iren im Pub versackt sind. Unsere Empathiebekundungen bei der übertragenen Dartweltmeisterschaft führten irgendwie zu diversen gemeinschaftlichen Runden Guinness sowie dass man uns engagiert über die wirtschaftliche Situation Irlands, die richtige Aussprache des Prost-Wortes "Slainte" (= Prost, je betrunkner man ist, desto besser wird es), Hurlingtrikotfarben, das Sterben der Pubs und die irische Meinung über Angela Merkel und Marlene Dietrich aufklärte und putzige Handyfotos vom neuen Hundewelpen zeigte. Zudem gab es melancholische Geschichten über gestorbene Pubstammgäste, eine Stepptanzvorfühung und eine ergreifende Acapellaversion von Elvis Presleys "In the Ghetto". Irgendwann ist der Barkeeper ins Bett gegangen, im Vertrauen dass die Gäste irgendwann das Licht ausmachen und die Tür zuziehen. Memo: Guinness zerstört dich von innen und eignet sich wirklich nicht als Hauptgetränk für ausschweifende Trinkabende. Aber das wars irgendwie trotzdem wert, und ein von hinter der Bar abgenommenes und uns vermachtes Bild der Kilkenny-Cat im Kilkenny-Hurlingtrikot zeugt davon, dass wir einen Pubabend mit Iren überlebt haben.

Als ich einer Souvenirshopbesitzerin in Dingle Teile ihrer Regal-Dekoration abkaufte (genau diesen Stein mit Spiralen drauf hab ich gesucht!), belaberte sie uns gleich sehr erfolgreich und mithilfe zahlreicher Bildbände, dass wir doch unbedingt auch den Ring of Dingle an der Küste entlangfahren müssten. Der sei schöner als der von Kerry - ob das stimmt, sei dahingestellt (da der von Kerry uns einen wundervollen Ausblick vom Geokaun Mountain, 5 € pro Auto auf der Valentia Insel, ermöglichte). Aber sehenswert ist er auf jeden Fall, und der Name ist lustiger!
Vom Geokaun Mountain: Das absolute Klischeebild von Irland. Irgendwo am Ende des Regenbogens tanzt
bestimmt ein Leprechaun mit einem Schaf um einen in Shamrocks stehenden Pott Gold und trinkt ein
Guinness dabei.
Upper Lake nahe Glendalough
bei Dublin.
Wir sind auch lange gewandert, um die schöne Natur Irlands zu erleben. Da war es auch sehr praktisch, dass wir viel umher gefahren sind, denn so haben wir eigentlich alle Landschaftstypen gesehen: Klippen, Weide, Heide und Berge. Links seht ihr in Bild, für das ich eine halbe Stunde Holzbohlentreppenstufen gestiegen bin! Dazu waren wir in den Wicklow Mountains bei den alten Klosterruinen von Glendalough. Da das nahe Dublin liegt und wohl auch ein beliebtes Ausflugsziel der Einheimischen zu sein scheint, war es recht bevölkert, aber lustig. Vor allem weil man bei diesem Aufstieg an diversen am Rand sitzenden und hechelnden Leuten vorbeikommt und sich teilweise immer wieder über den Weg läuft - hab ich schonmal erwähnt, dass irische Menschen ein wirklich geschwätziges Völkchen sind?
Am letzten Tag haben wir es dann doch noch geschafft, die Touriattraktion Nummer 1 zu besuchen: Das Hügelgrab Newgrange. Ob es wirklich ein Grab war, weiß man nicht so ganz, denn es wurden zwar Knochen gefunden, vieles deutet aber auch darauf hin dass es ein Kultort gewesen ist. Die Führung war auf jeden Fall ein Highlight. Über Newgrange hab ich hier mehr gebloggt! Der Felsbrocken mit den Spiralen vor dem Eingang ist übrigens auch der Stein, dessen oben genannte Replik ich der Dame in Dingle abgekauft habe. Im Info Zentrum hätte das Souvenir aber 20 € statt 7,50 € gekostet...
Wir wären gern nochmal auf die Blasket Islands vor dem Ring of Kerry geschippert, allerdings fuhr tagelang niemand auf See, wohl wegen dem Wetter. Mit dem wir unterm Strich aber unglaubliches Glück hatten!
Eingang von Newgrange.
Scariff und Deenish Island vor der Westküste im County Kerry.
 
Empfehlenswert ist auf jeden Fall ein kleiner Mietwagen!  Der hat uns am Flughafen für eine Woche rund 100 Euro gekostet und auch kaum Benzin geschluckt. Mit dem Bus kommt man an viele tolle Sehenswürdigkeiten nicht wirklich ran und ein Taxi kostet für wenige km schon fast ein Drittel des Mietwagens für die ganze Woche... An den Linksverkehr gewöhnt man sich recht schnell, nur beim Abbiegen sollte man sich überlegen, ob man nun auf die vordere oder hintere Spur muss.

Freitag, 5. September 2014

Polnisches "Mittelalterfestival" - die habens drauf!

Aloha!

Während wir letzte Woche in Schlesien waren, haben wir am Samstag in Racibórz an der Oder Freunds Tante besucht und während des Spaziergangs durch die Stadt ein Plakat für ein "Raciborski Festiwal Średniowieczny" gesehen, das verdächtig nach Mittelaltermarkt aussah. Kurzes Nachschlagen im Wörterbuch bestätigte den Verdacht, und Freunds Tante ließ sich leicht überreden, da mal hinzufahren, zumal der Eintritt frei war.
Schon 100 Meter entfernt sahen wir eine imposante Rauchwolke. Der offenbar eklatante Mangel an Brandschutzverordnungen ermöglicht in Polen zumindest extrem authentische Mittelaltermärkte! In diesem Fall war es genauer gesagt eigentlich ein Wikingerlager... Hier haben sich die ganzen polnischen Asatru also versteckt!

In einem riesigen Lager haben sich grob geschätzt rund 200 ziemlich authentisch aussehende Personen herumgetrieben - sogar mit etwas romantisierten Frisuren (was immerhin bei den Männern oft aussieht wie eine Art Irokesenschnitt mit abrasierten Seiten). Vor fast jedem Zelt war eine Grube für ein Feuerchen ausgehoben, einige Lagernde waren ganz fleißig und haben sich einen Graben und Wall gebuddelt.
Eins von diversen kleinen Feuerchen.
Schildwall vorm Fresszelt.
Zumindest zwei Grüppchen sah ich, bei denen alle gleiche Schilde gebaut hatten. Vorrangig war das ganze eher ein Lager mit Schreigesang-Darbietungen der Gruppe Sudarynja, etwas verwirrend für das nicht-slawische Ohr...Man klicke hier für ein Video auf youtube.

Aber es gab auch einige Verkaufsstände, die fast alle auch wirklich selbst hergestellte Waren anboten - besonders niedlich fand ich das Spielzeugboot (eher links im Bild)! 

Verschiedene angebotene Waren...
Kettenhemdbikini!
Die Verkaufsstände waren wirklich eine überraschende Abwechslung von dem Einheitsbrei, den man auf deutschen Märkten hauptsächlich findet, und für Handarbeit auch extrem preiswert. An den meisten Ständen konnte man bei der Herstellung direkt zusehen. Und sogar den ominösen Kettenhemdbikini gab es!
Wir hielten uns nur zurück, weil wir befürchteten, dass Freunds besonders herzliche Tante jede Gelegenheit am Schopf ergreifen würde, uns alles mögliche zu spendieren... Sie fand das ganze wohl ziemlich amüsant, wenn auch ein bisschen ungewohnt und verstörend, aber ist offen genug, um sich sowas gern mal anzuschauen (was auch der Grund dafür ist, dass wir von der ausufernden Freundschen Verwandschaft während unserer Polen-Reise nur sie besucht haben...).
Am Rand des Lagers gab es dann noch eine Bühne und ein paar unauthentische Stände für Bier und Brot. Und einen Schrein für Odin... Grad vor kurzem hab ich mich noch gefragt, wie die polnischen Asatru es eigentlich schaffen, in dem stockkonservativen und leider religiös ziemlich intoleranten Polen öffentlich zu praktizieren... und so machen sie es. Knallen den ahnungslosen Mittelaltermarkt-Touris ihren Schrein, ihren Gesang, ihre Feuerchen, ihre Schilde, ihr Blót-Essen und alles einfach vor die Nase - denn erkennen tun es nur Eingeweihte. Für alle anderen - wie Freunds Tante - ist das ganze einfach eine kuriose altertümliche Kostümveranstaltung.

Tatsächlich auch noch da: ein Schrein mit Trankopfer für Odin!

Alles in allem: Die habens drauf!

Mittwoch, 3. September 2014

Warnung: Ihr Ziel liegt auf einer unbefestigten Straße

Aloha!
Heute wird es nostalgisch, back to the roots und ein bisschen creepy! Vor kurzem bin ich mit Freund in quasi das hinterste Kaff in Oberschlesien gefahren, in dem seine Familie noch ein zerfallendes Bauernhaus stehen hat, das aber wohl demnächst verkauft werden soll. Letzte Gelegenheit also, um es zu sehen, Fotos zu machen und ein bisschen zu plündern...

Haupthaus mit Plumpa und rechts der ehemalige Pferdestall, im Dachboden ein Taubenstall.
Das Haupthaus wurde 1933 gebaut und später noch durch ein paar Ställe erweitert (weiter links am Haus, aber nicht auf dem Bild, ist noch ein Schweine- & Kuhstall, eine Scheune und eine Laube mit Schmeide drunter). Die Ecke vorne links auf dem Bild wurde mal zerstört, als im zweiten Weltkrieg eine Bombe in den Hof fiel.
Auf dem Hof lebten zuletzt Freunds Großeltern, Tante, Eltern und irgendwann auch noch er und sein Bruder zusammen, bis seine Eltern sich zur Flucht nach Deutschland entschieden, als er etwa 2 war. Da das Haus bis 2007 noch von der Oma & der sie pflegenden Tante bewohnt wurde, gab es dank der typisch polnischen Renovierungswut irgendwann auch Strom, Wasser, Heizung und Telefon. Inzwischen sind Wasser, Heizung und Telefon abgestellt und die Öfen kann man nicht mehr verwenden, weil die Ofenrohre bei der Modernisierung entfernt wurden. Aber wir hatten Strom! Aus der Plumpa (Pumpe) vor dem Haus war leider auch kein Wasser mehr gewinnbar...
Ein Problem des Hauses ist die Kszypopa (sprich: Kschipoppa), ein kleiner Dreckbach direkt dahinter. Man hat das Haus damals mit Absicht direkt dran gebaut, damit man jeglichen Siff quasi direkt aus dem Küchenfenster in die Kszypopa kippen kann - und dabei eben nicht beachtet, dass sie das Erdreich durchfeuchtet, so dass das Haus zum einen absackt und Risse kriegt und zum anderen einfach jede Wand nass wird und anfängt zu schimmeln...
 
Wegen dem Schimmel in den Schlafräumen, wegen den uralten Strohmatratzen und weil wir nicht unbedingt in einem Strohbett schlafen wollten wo Freunds Oma starb oder er gezeugt wurde entschlossen wir uns, unser Basislager in der Izba, also in der Stube aufzuschlagen, und rollten unsere Schlafsäcke auf dem ausklappbaren Sofa aus.
Dreckbach (schlesisch: Kszypopa) direkt hinterm Haus.
Die Uhren im Haus sind alle irgendwann zu unterschiedlichen Zeiten stehen geblieben.
Wir kamen nachts an, und da war das Haus ziemlich creepy - vollkommen verlassen, und obwohl Freunds Eltern zwischenzeitlich öfters mal da waren, stehen einige Dinge offenbar noch genau so, wie beim Tod der Oma zurückgelassen, z.B. der seit diesem Tag nicht mehr abgerissene Wandkalender. Hinzu kommen etliche Kruzifixe und Bilder von Heiligen oder Bibelszenen. In gewissem Maße ist das für polnische Haushalte ja normal, aber hier war das ziemlich dominierend und in dem alten, verlassenen Haus auch echt gruselig...
Weil Freund mir zumindest das Haupthaus gleich zeigen wollte, ging es noch nachts auf den Dachboden - auf dem wir das Licht nicht anmachen konnten, da sonst sofort die Sicherung rausfliegt. Die folgenden Fotos hab ich am nächsten Tag mit Licht gemacht, aber man kann sich vielleicht vorstellen, wie das gewirkt hat, wenn man da im Dunkeln mit Handytaschenlampe unterwegs ist und sich nicht auskennt. Besonders creepy fand ich die beiden nachträglich reingebauten Räume - das eine war ein Schlafzimmer, in dem anderen fanden wir eine Sammlung von Kruzifixen und Fleischwölfen...
Hinter dieser Tür ein Schlafzimmer...
...hinter dieser creepy Zeug.
Da Sitz & Holzboden vom Plumpsklo außerhalb des Hauses keinen wirklich vertrauenserweckenden Eindruck mehr machten und wir außerdem keine Lust hatten, nachts durch zig kalte Räume nach draußen zu schlurfen, zweckentfremdeten wir einen alten emaillierten Eimer und stellten ihn in der an unser Basislager angrenzenden alten Küche auf. Nachttöpfe gab es nicht - Freund meinte, seit Generationen würde dafür schon einfach ein Eimer benutzt. Na dann. Solche alten Eimer werden übrigens auf Berliner Trödelmärkten zu völlig überzogenen Preisen angeboten.

Am nächsten Tag und bei Licht haben wir zunächst den Eimerinhalt hinters nächste Gebüsch geschüttet, uns im Hof gegenseitig im Kanister mitgebrachtes kaltes Wasser über den Kopf gekippt und dann den Rest des Bauernhofs erkundet. Nachfolgend ein paar Bilder...
Laube für die Schmiede mit Amboss und Esse.
Beides fanden wir später in einem Abstellraum.
Hier die Scheune, die sogar noch angenehm
nach Stroh und Heu roch.
Suchbild: Im Dachboden über dem Pferdestall
liegt ein Ei.
Im Keller stehen noch 13 Jahre alte Vorräte
in Weckgläsern.
Hier eine Hundehütte und ein Kessel, in dem
früher Teer geschmolzen und transportiert wurde.
Absolut vertrauenerweckende Ski-Bindung.
Es fanden sich noch einige sehr praktische Dinge, die man heute so nur noch schwer oder teuer bekommt... Freund fand eine Schiebelehre und ich ein rustikal aussehendes Holzkistchen, in dem ich jetzt meinen Seifenvorrat aufbewahre. Da ich ja kein großer Fan von Kunststoff bin, hab ich mich sehr über emaillierte Schüsseln und einen Eimer *räusper* gefreut. Auch zwei Spritzen aus Glas hab ich gefunden, so dass ich fürs Dosieren meines Orchideendüngers etc. jetzt keine Plastikeinmalspritzen mehr brauche. Für meine Mama und mich hab ich zwei alte Milchkannen aufgetrieben, da sie nach sowas schon ewig sucht und ich sie als Vase für Sonnenblumen gut gebrauchen kann. Nur den niedlichen Trichter auf dem Bild habe ich zurückgelassen, der war unten fast zugerostet. Man beachte auch die von Hand bemalte Tapete!
Küchenutensilien & schöne Tapete.
In Freunds Familie war ja nach Ankündigung unserer geplanten Reise erstmal helle Aufregung, das könne man mir doch nicht zumuten mit dem Plumpsklo usw. usf. (über die gruseligen Kruzifixe hat sich natürlich niemand Gedanken gemacht...). Dass ich gerne campe und wir früher im Garten auch ein Plumpsklo hatten, hat nicht viel beruhigt. Dass wir trotzdem gefahren sind und ich aus dem Hof nicht rückwärts wieder raus bin, hat mir einige Pluspunkte bei Freunds Eltern eingebracht. Es war wirklich lustig - vor allem die Aktion, als vom Nachbarn ein Huhn über die Mauer gehüpft kam und wir versuchten, es mit Schreien, Klatschen und Knüppelschwingen wieder zurück zu scheuchen...
 
(Hat übrigens nicht geklappt - es rannte unerreichbar hinter einen Holzhaufen und stellte sich derart erfolgreich tot, dass wir zunächst befürchteten, es habe einen Herzkasper wegen uns bekommen - irgendwann hat es dann aber wohl der sehr gechillte Nachbar wieder abgeholt, denn am nächsten Tag war es weg).

Abgesehen vom Hof haben wir uns noch Krakau und Breslau angesehen. Krakau gilt zwar als die schönste Stadt Polens, mir war da zu viel Trärä um die Altstadt, das wirkte ein bissel verkrampft. Ich mochte Breslau (polnisch übrigens Wrocław, ausgesprochen wie "Wrotzwaff") irgendwie lieber. Aber vielleicht hab ich auch nur Vorurteile, weil meine Uroma ja aus Breslau kam. Sie hat die Stadt vor knapp 100 Jahren verlassen, und der nächste Mensch aus unserer Familie, der danach wieder in diese Stadt kam, war ich am letzten Freitag. Schon ein komisches Gefühl - zudem ich einige alte Personen gesehen habe, die meiner Uroma sehr ähnlich sahen. Da scheint sich doch ein gewisser Menschenschlag erhalten zu haben.
Meine Mama hat mir noch einen unglaublich hilfreichen Tipp mitgegeben: Uroma wohnte nahe einer Kirche. Na, das schränkt ja den Suchradius immens ein in Polen...